Spielbericht: 1. FC Kaiserslautern - VfL Bochum 1:1

„Platoon“-Dreh auf dem Betzenberg

„Platoon“-Dreh auf dem Betzenberg


Der FCK war drauf und dran, mal wieder ein Spiel auf dem Betze zu gewinnen. Doch der Schiri dezimierte die Lautrer, dazu gab es mindestens einen Totalausfall. Warum Oliver Stone an diesem Sonntag seinen Spaß gehabt hätte, schildert Film- und Fußballliebhaber Marky.

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Es ist eines der berühmtesten Filmplakate der Filmgeschichte. Es zeigt einen von Kugeln durchlöchterten Soldaten, der die Arme in die Höhe streckt und den Kopf in den Nacken legt. Die Szene ist an Theatralik kaum zu toppen. Ein Symbol für Schmerz, für Leid, für Tragik - ein Körper gewordener Schrei zum Himmel. Wird doch der geschundene Sgt. Elias (gespielt von Willem Dafoe) zuvor von seinem eigenen Platoon-Kameraden, dem sadistischen Sgt. Barnes (Tom Berenger), angeschossen, zurückgelassen und schließlich den Vietcong geopfert.

Ähnliche Szenen sind seit dieser Saison immer häufiger auf dem Betzenberg zu sehen. Doch es darf bezweifelt werden, dass Oliver Stone dort seine Hände im Spiel hat. Und doch hätte der preisgekrönte Regisseur sicher das ein oder andere Mal in die Hände geklatscht, begeistert von den Schauspielkünsten auf dem Spielfeld.

Auch bei der heutigen Begegnung des 1. FC Kaiserslautern gegen den VfL Bochum gab es viel Drama, Baby, Drama. Schlussphase: Ein Bochumer liegt auf dem Boden - es ist nicht zu erkennen, warum. Er krümmt sich, muss fürchterliche Schmerzen haben, es ist nicht zu sehen, ob er einen Arm oder ein Bein oder beides verloren hat. Er wedelt unaufhörlich mit der Hand. Mit letzter Kraft, wie es scheint. Der Schiedsrichter lässt die Szene laufen, niemand schreit „Cut“, ja sogar die eigenen Mitspieler wollen lieber ein Tor schießen, als die Rettungssanitäter mit Trage auf den Platz lassen, um den offensichtlich schwer verwundeten Kameraden zu retten. Oder ahnen sie etwa, dass er nur simuliert, dass er nur Zeit von der Uhr nehmen will. Denn als das Spiel dann doch unterbrochen wird, kommt es zu einem Wunder. Einer Auferstehung, zwei Wochen vor Ostern. Der Spieler, mittlerweile außerhalb des Spielfelds, streckt und reckt sich. Läuft zur Mittellinie und winkt schon wieder. Schiri, ich will wieder auf dem Platz. Fehlalarm. Noch alles dran.

Deutsche Schiris - und ihre neuentdeckte Liebe zum körperlosen Spiel

Und das ist - mit Ede Zimmermann - leider kein Einzelfall. Der sterbende Schwan ist zu einem Stilmittel der Gegner auf dem Betze geworden. Zu einem erfolgsversprechenden noch dazu. Bei jeder Feindberührung gilt es, das „Platoon“-Plakat bestmöglich nachzuahmen. Und nicht nur Bibiana Steinhaus scheint eine begeisterte Verfechterin dieser fragwürdigen Schauspielkunst zu sein. Auch ihr Kollege Christian Dietz, der an diesem Sonntagnachmittag seine Fritz-Walter-Stadion-Premiere feierte, pfiff sich in Ekstase. Selbst als sich Torhüter und Verteidiger von Bochum über den Haufen rannten, gab es folgerichtig Freistoß für den VfL. Zu oscarreif wälzten sich die Protagonisten über dem Boden.

Der Heimmannschaft wird so ein Trumpf genommen: das körperliche Spiel. Und das auf dem Betzenberg! Dem Circus Maximus, was den Kampf um den Ball angeht. Zumindest dem Mythos nach.

Florian Dick, der physisch starke FCK-Außenverteidiger, ist ein Leidtragender dieser zum Himmel schreienden Fußball-Entwicklung. Er sah für ein vergleichsweise harmloses Foul, wenn überhaupt, in der ersten Halbzeit den gelben Karton. Vor allem deshalb, weil der Gefoulte in Willem-Dafoe-Gedächtnis-Manier zu Boden sank. Dick fiel ansonsten nicht weiter durch Unartigkeiten auf. In der zweiten Halbzeit kreuzte sich jedoch sein Weg mit Richard Sukuta-Pasu, den der FCK an Bochum verliehen hat. Dick berührte RSP, dieser stolperte - und zum Erstaunen aller wurde Dick zum Duschen geschickt. Gelb-Rot.

Eine spielentscheidende Szene. Ein weiterer Nackenschlag für die Lautrer, die sich bekanntlich sehr schwer damit tun, sich wieder aufzurappeln. Auch, weil sie so wenig Anführer und Türme in der Schlacht haben. Dabei sah es bis zu dieser 62. Minute ganz gut aus, dass es mal wieder einen Heimsieg auf dem Betzenberg zu Bestaunen gibt. Der FCK hatte den sensationell herausgespielten Tiki-Taka-Führungstreffer (Sukuta-Pasu, 43.) des von Peter Neururer trainierten Reviervereins ausgeglichen - mit einem ebenfalls herausragenden Spielzug. Marc Torrejon bediente mit einem feinen Diagonalball den durchstartenden Karim Matmour, der an seinem Gegenspieler vorbeizog und Mo Idrissou gekonnt den Ball auf den einschussbereiten Fuß servierte (45.). Das erste Tor des Kameruners seit 1.133 Minuten.

Torrejon macht den Baumjohann...

Bezeichnend, dass der Initiator des 1:1 ein Spieler war, zu dessen Hauptaufgaben es eher gehört, Tore zu verhindern. Und es war nicht der einzige auffällige Ball in die Spitze, den Torrejon an diesem sommerlichen Sonntag spielte. Insgesamt 56 Pässe wurden für den Spanier am Ende gezählt. Der Spitzenwert. Willi Orban folgte mit 39 und Ruben Jenssen mit 34. Bei letzterem rieben sich die offiziell 26.960 Zuschauer, darunter 700 aus Bochum, verwundert die Augen, als er bei einem Konter den Ball per Vollspan mindestens 50 Meter weit schoss, obwohl sein Mitspieler nur fünf Meter von ihm entfernt stand. Nicht die einzige Szene, in der Jenssen den Überblick verlor. Auch Mittelfeldkollege Markus Karl unterstrich erneut, dass seine Fähigkeiten eher im Zerstören als in der Kreation liegen. In der Westkurve lästert man bereits über die „Karl-Pirouette“, wenn der ehemalige Berliner, mal wieder in aussichtsreicher Position die Kugel bekommt, aber sich erstmal Richtung Tobias Sippel dreht. Ob das Problem im Kopf oder den Füßen liegt - unklar.

...und Fortounis feiert sein Startelf-Comeback

Einer, der mit seinen Offensivaktionen ein ganzes Stadion zum Stehen bringen könnte, ist Kostas Fortounis. Bis heute rätselt man in der Pfalz darüber, warum er in der Vorbereitung als einer der großen Gewinner galt. Und warum er nach einer durchwachsenen ersten Halbzeit bei der 2014er-Premiere gegen Fürth und ganz starken zwanzig Minuten nach dem Wechsel vom Feld und in der Folge sogar auf die Tribüne musste. Ob es mit Fortounis in den vergangenen Wochen besser gelaufen wäre, lässt sich nicht sagen. Schließlich hat der schüchterne Grieche schon zu oft die hohen Erwartungen enttäuscht. Aber dem Kreativspiel hat die Verbannung, wenn es denn eine war, sicher nicht gut getan. Gegen Bochum durfte Fortounis mal wieder von Anfang an ran. Zwingende Gründe, ihn auf St. Pauli wieder auf die Bank zu setzen, lieferte er nicht.

Chinedu Ede - und Erinnerungen an Robert Lembke

Einer, der auch für die Zehn geholt wurde, muss mittlerweile in die lange Liste der FCK-Winter-Flops aufgenommen werden: Chinedu Ede. Welcher Sportart er gegen Bochum nach seiner Einwechslung nachging - sachdienliche Hinweise bitte an die ratlose DBB-Redaktion.

Auch Kurz-(Edel)-Arbeiter Srdjan Lakic, Vertrag bis Saisonende, kommt nicht so in die Gänge, wie von den FCK-Verantwortlichen erträumt. Er ist nicht ein Schatten früherer Tage, er ist ein Gespenst. Er jagt dabei nicht dem Gegner einen Schrecken ein, sondern lässt seinen eigenen Anhängern einen kalten Schauer über den Rücken fahren. Lakic wurde übrigens im Januar nach 2:0-Führung für Fortounis eingewechselt. Das Spiel erlitt einen Bruch...

Man kann dem ehemaligen FCK-Torjäger nicht vorwerfen, dass er nicht will. Aber der sportliche Horror hat schwer an seiner Fußballerseele genagt. Zu diesem Befund konnte man aber eigentlich schon vor seinem Wechsel an den Betzenberg kommen. Oder?

Die kritikwürdige Einkaufspolitik war sicher nur ein Grund von vielen, warum in der Westkurve an diesem Sonntag brisante Banner hochgehalten wurden (zu den Fotos). Das System Kuntz funktioniere nicht mehr, war dort in großen Lettern zu lesen. Und die bösbittere Frage: „Alles auf den Prüfstand? Im dritten Jahr in Folge?“ Nach dem 1:1 gegen Bochum suchten einige Fans den Kontakt mit dem Trainer und den Spielern. Der Verein sprach hinterher von konstruktiven Gesprächen, auch wenn den Anhängern keine befriedigenden Antworten geliefert werden konnten. Wie auch? Immerhin findet Kommunikation statt. Kein Neuanfang, aber ein Anfang.

Dass es dem FCK erneut nicht gelang, mit einem Sieg an die Aufstiegsränge heranzurobben, war dabei im Nachhinein gar nicht das große Fanthema. Es steht mehr auf dem Spiel als Ergebnisse. Die Spieler wurden nach dem Schlusspfiff mit lauten Pfiffen, aber auch kräftigem Applaus verabschiedet. Man hatte weniger identitätsstiftende Auftritte der „Männer in Rot“ zuletzt gesehen. Und man konnte schon vor dem Ende mächtig Dampf ablassen - über den Schiedsrichter und den „Platoon“-Dreh auf dem Betze.

Eine Fußnote noch: Ex-Lautrer und -Aalener Markus Schupp gab am Sonntag im Sky-Interview auf dem Betze zu verstehen, dass er in der kommenden Saison gerne wieder als Sportdirektor arbeiten würde.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Marky

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