Spielbericht: 1. FC Kaiserslautern - 1. FC Köln 3:0

Und sie können es doch!

Und sie können es doch!


Was für ein Sieg! Ausgerechnet im „Spiel um Platz 3“ gegen den 1. FC Köln sehen die Fans des 1. FC Kaiserslautern das beste Heimspiel seit gefühlten Ewigkeiten. Nach dem klaren 3:0 gegen die Geißböcke haben die Roten Teufel den Aufstieg wieder in der eigenen Hand.

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Die Blechlawine kam nur ganz langsam voran auf der A63, ab Sembach ging so gut wie nichts mehr. Mehrere Kilometer Stau, überall Nummernschilder mit „K“, „BM“ oder „DN“, dazwischen natürlich auch unzählige Autos mit FCK-Aufklebern. Und fast alle waren sie auf dem Weg zum Betzenberg, zum Spitzenspiel am Freitagabend zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und dem 1. FC Köln, den Konkurrenten um Platz 3. Es fühlte sich bereits auf der Autobahn an wie ein Bundesligaspiel und was ab 18:00 Uhr auf dem Berg los war, WAR Bundesliga!

Spätestens zur Halbzeit schaute der geneigte FCK-Fan seinen Nachbarn an und vergewisserte sich, ob man nicht doch noch im Bett liegt und sich ausmalt, wie das Spiel gegen den FC laufen könnte. Es war ein Gefühl wie einst im August 2009 zur Halbzeit des ersten Saisonspiels unter Marco Kurz: Damals erspielte sich der FCK eine hochverdiente 2:0-Führung gegen Greuther Fürth in einer lange nicht gesehenen Art und Weise. Diesmal legten die Roten Teufel die bislang beste erste Halbzeit der Saison auf den grünen Rasen. Beispielhaft der 13. Saisontreffer von Mohamadou Idrissou: Mimoun Azaouagh treibt den Ball nach vorne, passt auf Kostas Fortounis, der nach schönem Doppelpass mit Albert Bunjaku auf Alex Baumjohann weiterleitet, dessen direkter Pass von Idrissou aufgenommen, verarbeitet und wunderschön in den Winkel abgeschlossen wird (41.). Ein Angriff wie lange nicht mehr gesehen: direkt, schnell, schnörkellos, genau und mit dem klaren Ziel, die Hütte zu machen. Kein langsames Verschleppen, kein Rückpass, kein langsames Drehen und kein Sprint ins Abseits. Ein klasse Spielzug mit allen fünf aufgebotenen Offensivkräften.

Und der Treffer kam zur richtigen Zeit (gibt es eigentlich auch schlechte Zeitpunkte für eigene Treffer, außer vielleicht ein 2:9 kurz vor dem Abpfiff?), nachdem Idrissou zuvor eine prima Flanke des offensiv sehr präsenten Florian Dick neben das Tor köpfte und Baumjohann eine Hereingabe des ebenfalls sehr fleißigen Chris Löwe volley knapp über das Gehäuse jagte. Ein 0:0 zur Pause hätte den überraschend passiven Kölnern womöglich in die Karten gespielt, so hatten die Domstädter noch das Glück, dass Azaouagh einen weiteren präzise vorgetragenen Konter knapp vorbeizog. Boom, eine Halbzeit wie ein Paukenschlag mit einer hochverdienten Führung, die von der ebenfalls motivierten Westkurve - auf der mit zahlreichen Spruchbändern gegen die 52 nach dem Gießkannenprinzip ausgesprochenen Stadionverbote protestiert wurde - dankbar angenommen und gefeiert wurde.

Und weiter ging es mit Augenreiben. Denn es wurde noch besser - statt wie bisher eine knappe Führung eher zu verwalten, legten die entfesselten Roten Teufel in der zweiten Halbzeit vor einer mittlerweile begeisterten Westkurve noch einen Zahn zu und nach: einen schnell ausgeführten Freistoß schlenzte Baumjohann butterweich über die gesamte Kölner Schlafwehr hinweg auf den herein brausenden Jan Simunek, der seinen ersten Treffer im FCK-Dress erzielte und vor Freude fast zu Platzen schien (50.). Eine Szene, die bezeichnend für den gesamten Auftritt war: Präzision, Schlitzohrigkeit und Gedankenschnelle bei den drei Kreativen, die gemeinsam beim Freistoß standen, Wucht und Durchsetzungsvermögen bei Simunek und eine Mannschaft, denen man endlich die Torgeilheit ansah. Die Fans dankten es mit stetig steigender Lautstärke, der Funke sprühte endlich wieder, die Initiative kam dabei zu einem großen Teil vom Rasen. Der FC hingegen wirkte erstmals im Spiel richtig durcheinander, auch wenn schon zuvor wenig nach vorne kam, so schienen die Geißböcke nun schockiert ob der auf das eigene Tor zurollenden rot-weißen Welle. Doch die Vorentscheidung wollte noch nicht fallen. So war es an Tobias Sippel, mit einer Bombenparade den Anschlusstreffer zu verhindern und Köln somit den Zahn endgültig zu ziehen - eine Parade mit der Aussage „Bis hierhin und nicht weiter!“ Dies war in der 63. Minute die erste Torchance der Gäste, vorher und nachher räumten Marc Torrejon (68% gewonnene Zweikämpfe) und der bärenstarke Simunek (71% gewonnene Zweikämpfe) alles ab, was Gefahr bringen konnte, unterstützt von einem ebenfalls gut aufgelegten Ariel Borysiuk im defensiven Mittelfeld.

Im Anschluss ging es auf und ab, ohne das der FC wirkliche Torgefahr ausstrahlte, die Lautrer aber weiterhin das zeigten, was alle sehen wollen: Spieler, die verlorenen Bällen nachjagten (Beispiele Idrissou und Borysiuk); ein Baumjohann, der an der Seitenlinie Bälle abgrätschte; drei Kreative, die überall auf dem Platz zu finden waren und ständig rotierten; Laufwege, die einstudiert wirkten; tolle Seitenwechsel, die von den Passgebern toll getimet und von den Empfängern wie Löwe oder Dick wunderbar verarbeitet wurden; sich nach gelungenen Aktionen gegenseitig pushende Lautrer sowie der Wille, ein drittes Tor nachzulegen. In dieser Phase hörte man nicht mehr viel von den ansonsten sehr gut aufgelegten 8.000 Kölner Fans im Osten, von der Westkurve dafür umso mehr. Richtig laut wurde es noch einmal knapp zehn Minuten vor Schluss, als der ehemalige Kölner Mitchell Weiser nach seiner Einwechslung den Turbo startete, Kevin McKenna stehen ließ wie eine rostige Dampflok und einen Cristiano-Ronaldo-Gedächtnislupfer auf den Kopf von Idrissou spielte, den der Kameruner nur noch einnicken musste (79.). Ein Tor wie von der Feinkosttheke. Der Drops war gelutscht, die Mannschaft konnte gefeiert werden und Mo Idrissou verschwand nach dem Abpfiff scheinbar schon in den Sommerurlaub - seine angekündigten 14 Saisontreffer hat er bereits erzielt, aber seinen Frieden mit der Westkurve hat er wohl noch immer nicht gemacht. [Nachträgliche Ergänzung: Laut einem Nachbericht des FCK verließ Idrissou den Platz frühzeitig aufgrund einer Verletzung und musste deshalb auf das Feiern mit den Fans sowie auf Interviews verzichten] Ein weiteres Highlight verpasste Idrissou dadurch: Jimmy Hoffer, dessen Kollegen die „Williiii (Orban)“-Rufe wohl mit „Jimmyyyy“ verwechselten und den Österreicher nach vorne drängten, versagte an der Trommel auf dem Vorsängerpodest so sehr, dass es fast schon wieder kultverdächtig war.

Was bleibt, ist ein überfahren wirkender Holger Stanislawski, der die Höhe der Niederlage nach 15 Spielen ohne Pleite als gerecht ansah, da seine Mannschaft zu keiner Zeit Zugriff auf das Spiel hatte und nur reagierte. Deutliche Worte fand Christian Eichner: „Keine Mannschaft hat uns bisher so abgefertigt wie der FCK.“ Was uns zur alles entscheidenden Frage bringt: Wieso nicht schon früher? Wo war die Begeisterung am Spiel in den letzten Monaten? Und vor allem - was ist der Auslöser? Braucht die Mannschaft die große Bühne, ein volles und lautes Stadion und Bundesligaatmosphäre, um ihr wahres Potenzial zu zeigen? Leute, wenn Ihr sonst nicht könnt, dann gewinnt die nächsten sechs plus zwei Spiele und Ihr habt ab August wieder die ganz große Bühne. Gebt Gas, wir messen Euch an der gestrigen Leistung - enttäuscht uns nicht!

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Sebastian

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