Spielbericht: VfB Stuttgart - 1. FC Kaiserslautern 2:4

Ein großer Schritt auf dem Weg zum Klassenerhalt

Ein großer Schritt auf dem Weg zum Klassenerhalt


Für eingefleischte Fußballfans haben Spiele des Lieblingsvereins oftmals eine Art Niedergeschlagenheit zur Folge. Vor allem für solche, die oft oder sogar immer im Stadion weilen - viel Aufwand, um die Mannschaft siegen zu sehen, lange Anfahrten bei Wind und Wetter, Hoffen und Bangen, Singen und Fluchen, um am Ende doch mit der Leistung des Teams unzufrieden zu sein. Was müssen erst die Stadionverbotler außerhalb der Arenen durchmachen, die nur zu gerne das Gefühl der Enttäuschung und Verzeihung ebenso im Stadion erleben möchten? Auch spüren wollen, wenn Abende wie dieser zur Euphorie und grenzenloser Liebe verleiten, weil die eigene Mannschaft mit Herzblut und unbändigem Siegeswillen die rot-weißen Fahnen zum Wehen bringen. So wie am 29. Spieltag der Fußball-Bundesliga der Saison 2010/11, im Samstagabendspiel des 1. FC Kaiserslautern beim VfB Stuttgart!

Etwa 4.500 Schlachtenbummler begleiteten den FCK ins schon seit Tagen ausverkaufte Neckarstadion. Zurzeit passen nur 39.000 Zuschauer in die WM-Arena, die, wenn sie einmal fertig gebaut ist, ein tolles Fußballstadion wird. Die Cannstatter Kurve ist noch im Rohbau, weshalb die eingefleischten VfBler gemeinsam mit den Gästefans in der Untertürkheimer Kurve stehen. Den Stuttgarter Anhang merkte man den Abstiegskampf an, das Publikum kam nur schwerlich in Schwung, richtig laut war nur der Torjubel. In der gegenüberliegenden Ecke waren die FCK-Fans untergebracht. Und der Gästeblock war absolut in Ordnung: Die Zäune zwar relativ hoch, aber die Breite und Höhe des Stehplatzbereichs wusste zu gefallen, es gab nur kleinere Schönheitsfehler wie etwa die Sitzplätze im oberen Teil des Blocks.

Die Stimmung war dem Spielverlauf entsprechend, teilweise euphorisch laut, vor allem nach dem zwischenzeitlichen Rückstand aber stellenweise auch ziemlich abgeflacht. Der Auftritt des Anhangs aus Kaiserslautern darf dennoch als gut bezeichnet werden, die Liedauswahl passte eigentlich immer und auch aus der Kurve selbst wurde der eine oder andere Schlachtruf angestimmt, was die Vorsänger und der gesamte Gästeblock gerne aufnahmen. Der Einsatz von Fanutensilien, gerade bei den Ultras, hat schon lange einen sehr guten Standard angenommen - und bei so einem Spielverlauf wehen die Fahnen natürlich umso öfter. Die eher schlagkräftigen Anhänger beider Vereine pflegen eine Freundschaft, die auch während der 90 Minuten mit ein paar kleineren Aktionen zelebriert wurde. Zum Spielende hin gab es allerdings einige böse Blicke der Stuttgarter Hooligans, als große Teile des FCK-Anhangs den VfB bereits in die zweite Liga verabschieden wollten.

Zum Spiel: FCK-Trainer Marco Kurz setzte weiterhin auf Kevin Trapp und der junge Torwart konnte die Erwartungen erneut erfüllen, auch wenn er in der Vorwoche beim entscheidenden Tor gegen Leverkusen unglücklich aussah. Wieder an Bord war auch Jan Moravek, während Ivo Ilicevic weiter passen musste. Auf dem Spielfeld merkte man schnell, dass ein so guter Fußballer wie Moravek gebraucht wird, um gerade Christian Tiffert zu entlasten. Der wiederum zeigte eine bärenstarke Leistung bei seinem alten Verein - Tiffert ist wohl einer der wichtigsten Spieler in dieser Saison, ein echter Mittelfeldmotor. Thanos Petsos durfte für Jiri Bilek ran, ansonsten gab es keine Wechsel gegenüber der Vorwoche, auch die Abwehr um Rodnei und Mathias Abel blieb also bestehen. Der frischgebackene Vater Abel war aber der Pechvogel in diesem Spiel, denn er musste schon früh mit einer Platzwunde behandelt und kurz vor der Halbzeit dann doch ausgewechselt werden. Für ihn kam Martin Amedick und lieferte eine solide Partie mit perfektem Stellungsspiel und grandioser Kopfballstärke.

Grandiose Kopfballstärke zeigte auch Srdjan Lakic. Beim 1:0 für Kaiserslautern zeigt der viel diskutierte Stürmer seine ganze Klasse, als er eine perfekte Flanke von Oliver Kirch robust einköpft (17.). Gerade in der Anfangsphase war der FCK präsenter und williger in den Zweikämpfen, ging verdient in Führung. Die Überlegenheit wurde jedoch selbst wieder kaputt gemacht: Nach einem Pass von Zdravko Kuzmanovic in den Rücken der Abwehr flankt Cristian Molinaro in die Mitte, Leon Jessen spielt den Ball unglücklich zurück Richtung Außenlinie, Kirch will ihn weg schlagen, Molinaro kommt aus dessen Rücken und der Lautrer trifft den Stuttgarter am Oberkörper. Molinaro nahm das Geschenk natürlich an und ließ sich fallen, der ordentliche Schiedsrichter Deniz Aytekin entschied sofort auf Elfmeter. Strittig, dumm, fahrlässig - Tor für Stuttgart! Kuzmanovic schnappte sich das Leder und verwandelte glücklich, denn Trapp war dran, konnte dem Ball aber nicht mehr entscheidend abwehren (26.). Danach hatten die Schwaben das Heft in der Hand, waren bissiger und entschlossener in ihren Aktionen. Das 2:1 war die logische Folge dessen: Nach Pass von Tiffert in die Spitze zu Lakic verliert dieser den Ball, obwohl er ihn schon sicher zu haben schien, Molinaro spitzelt ihn zu Kuzmanovic und ähnlich wie beim ersten Tor schickt er den Italiener wieder im Rücken der Lautrer Abwehr auf die Reise. Dessen perfekten Flachpass in die Mitte schließt Pogrebnyak entschlossen ab (39.). Der VfB ging nicht unverdient mit dieser Führung in die Pause, Lautern hatte sich zu stark hinten rein drängen lassen.

Die zweite Hälfte sollte alles ändern. Kirch musste draußen bleiben und wurde von Stiven Rivic ersetzt, der zunächst aber nur schwer ins Spiel fand. Stuttgart mit der ersten Chance, doch Trapp war gegen den Japaner Shinji Okazaki zur Stelle. Der „Betze“ fightete zurück! Zunächst ein klasse Spielzug über Adam Hlousek und Lakic, perfekte Ablage zu Rivic, dessen Schuss von halbrechts jedoch in den Wolken landete. Trotzdem, das Spiel war wieder offener, als Trainer Kurz nach 64 Minuten Jimmy Hoffer. Ein für kurz'sche Verhältnisse sehr früher Wechsel, und dieser sollte sich lohnen, denn Hoffer steht demnächst zur Auswahl für das „Tor des Monats“! Langer hoher Pass von Tiffert aus der eigenen Hälfte in den Lauf von Hoffer, der sprintet und sprintet, nimmt den Ball an der Stuttgarter Strafraumgrenze volley, der Ball segelt über den Stuttgarter heraus eilenden Sven Ulreich hinweg ins Tor (68.). Grenzenloser Jubel bei Spielern und Anhang! Ein Punkt wäre schon Gold wert, verlor doch am Nachmittag der direkte Konkurrent Wolfsburg auf Schalke, spielten am Vortag Frankfurt und Bremen Unentschieden.

Die Roten Teufel jetzt mit der zweiten Luft. Das Spiel schob sich immer mehr in die Hälfte der völlig passiven Stuttgarter, Chancen von Hoffer und Lakic blieben jedoch zunächst ungenutzt. Bis zur 79. Minute, in der der Riese endgültig zurück war! Als die Roten Teufel sich in der gegnerischen Hälfte eingenistet haben, ist es ein Eckball von Tiffert, den erneut Lakic freistehend aus fünf Metern unter die Latte wuchtet. Ausgerechnet Lakic, der Unglückliche, der viel Kritisierte war in diesem unglaublich wichtigen Spiel der Torschütze des Tages! 3:2 für den FCK! Der Lautrer Anhang tobte jetzt natürlich und die geschockte VfB-Abwehr schwamm nur noch. Den Sack endgültig zu machte schließlich der oft zu recht kritisierte Rivic, der nach Balleroberung des dreifachen Vorbereiters Tiffert per starker Einzelleistung das 4:2 markierte (86.). Kurz darauf folge der Abpfiff, Mannschaft und Fans feierten noch lange den hochverdienten Auswärtssieg: „Nie meeeehr zweite Liga!“

4:2 in Stuttgart, ein sogenannter Big Point, ein „Sechs-Punkte-Spiel“ gewonnen! Jetzt fehlen nicht mehr viele Zähler zum Klassenerhalt. Der FCK hat seine zwischenzeitliche Krise endgültig überwunden und sich vor dem Heimspiel gegen Nürnberg, in dem auf jeden Fall drei Punkte drin sind, eine tolle Ausgangsposition erarbeitet. Gegen die Franken sollten die rot-weißen Fahnen ganz besonders stolz wehen, laut soll es werden, der Betze muss beben. Die Mannschaft wird mit Leidenschaft und Herzblut spielen - garantiert! Und die Reise auf den Betzenberg wird sich lohnen. Ganz bestimmt. Egal woher.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: connavar

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