Hall of Game: Werder Bremen - FCK 2:3 (1989/90)

Der FCK holt erstmals den „Pott“

Der FCK holt erstmals den „Pott“


„3:2 - Kaiserslautern ist deutscher Pokalsieger 1990!

Es war ein rauschendes Fest, bei dem die Pfälzer Fußball mit Herz spielten. Danach wurde vor Freude geweint. Was die Roten Teufel mit Werder trieben, war teuflisch.“

Kicker, Thema der Woche, 21. Mai 1990

Als ich mich am frühen Morgen des 19. Mai 1990 aufmachte nach Berlin, war da schon etwas Besonderes in Luft, von vorne herein. Rund sechs Monate nach dem Fall der Berliner Mauer: Keine Passkontrollen auf dem Weg zwischen Helmstedt und der alten Hauptstadt aller Deutschen, schon auf den Rasthöfen unzählige Fans, auch aus den bald „neuen Ländern“. Es schien, als hätte der Rote Teufel gewartet. Gewartet, dass nicht nur die vom Schicksal verschonten Deutschen den Triumph ihres FCK feiern durften. Die Mauer war weg... jetzt war es so weit!

Schon viermal stand der FCK im Pokalfinale - immer verloren. 1961 auf Schalke gegen Werder, 1972 in Hannover gegen Schalke, 1976 in Frankfurt gegen Hamburg, 1981 in Stuttgart gegen die Eintracht. Nun also das fünfte Pokalendspiel, unser erstes Finale in Berlin seit dem siegreichen Meisterschaftsendspiel 1953. Ein gutes Omen, die Chance den ersten Titel seit 38 Jahren zu gewinnen, und - auch da schloss sich der Kreis - gegen Bremen.

Was für ein Jahr. Der DFB-Pokal war in dieser Saison eigentlich Nebensache, denn der Betze spielte bis zum drittletzten Spieltag gegen den Abstieg. Die Saison brachte die Mannschaft hervor, die ein Jahr später auch Deutscher Meister werden sollte: diese Einheit von Spielern, Fans und Trainer, die es seither nie mehr gab. Ich war 18 und durfte Auto fahren, Deutschland war, wenn auch noch nicht faktisch, ein Volk, die Achtelfinals im Pokal (FCK - Köln 2:1) wurden übrigens am Abend des 9. November 1989 ausgespielt und im späteren Verlauf des Abends Mauer geöffnet. Mein FCK stand im Finale und hätte ich es gewusst, dass wir nur Wochen später auch noch Weltmeister sein würden... Ich wär' schon vorher unterm Tisch gelegen. Es war der beste Sommer, den ich feiertechnisch je erleben durfte.

In Berlin war den ganzen Tag Party, und dabei gabs ja noch gar kein Public Viewing! Der FCK und Werder rockten den Ku'damm. In vielen Kneipen und Biergärten wurden hier schon die ersten Kontakte geknüpft, die ein Jahr später beim Liga-Sieg in Bremen die Fanfreundschaft auf ihren Höhepunkt bringen sollten. Umso bedauerlicher, denkt man daran zurück, denn diese Fanfreundschaft war eben nicht das Produkt eines gemeinsamen Hasses oder der Tatsache, dass sonst keiner da war. Sie entstand tatsächlich aus Sympathien. Die Berliner realisierten dieses gute Verständnis durchaus, wie sagt man so schön: „Janz Bärlin is eene Wolke“.

Aber da war ja noch ein Spiel zu gewinnen, Revanche zu nehmen für '61. Die Jungs waren heiß und gut drauf, Klassenerhalt geschafft, witzigerweise durch ein Remis eben gegen Bremen zuhause am 32. Spieltag, denn der Waldhof verlor an diesem Tag 6:0 in Köln und war weg vom Fenster. Was uns die Feierlaune noch deutlich erhöhte, heute war ein guter Tag, Geschichte zu schreiben.

Werder wurde vom Sturmlauf des FCK überrascht, der nach 5 Minuten Abtasten loslegte wie die Feuerwehr. Trainer Otto Rehhagels kontrollierte Offensive um Rune Braseth schwamm, weil Lauterns Kalli Feldkamp vorne den Marschbefehl ausgegeben hatte „Volle Lotte über außen“! Stefan Kuntz und Bruno Labbadia wirbelten insbesondere die Bremer linke Seite mit Jonny Otten und Günther Herrmann durcheinander, auch Dieter Eilts, damals noch Offensivkraft (!), hatte gegen Demir Hotic kaum eine Chance. Tom Dooley als ruhender Pol, Hotic und Markus Schupp als „Krawallmacher“, Uwe Scherr und Frank Lelle als Flügelzange, Bruno und Stefan als Tag-Team, das sich blind verstand. Die wenigen Angriffe der Bremer, meist über Uwe Harttgen und Eilts, saugte Franco Foda zentral weg, oder die „Kette“ mit Kay Friedmann, Foda und Reinhard Stumpf als Libero ließ Karl-Heinz Riedle und Wynton Rufer kaum einen schmerzfreien Zentimeter. Der FCK beherrschte den Gegner nach Belieben. Die Taktik der „biederen zentralen Verlangsamung“ des Spiels ging auf.

Nach 19. Minuten: Eckball von links, Werder-Keeper Oliver Reck irrt im Fünfmeterraum wild umher, Labbadia hält am kurzen Pfosten die Rübe rein, 1:0 Lautern! Bremen geschockt. In der 26. Minute der nächste „Faustschlag“, Reck kann einen Labbadia-Schuss nur abklatschen, faustet ihn sich selbst rein, der Ball hoppelt noch sekundenlang über die Bremer Torlinie, bis er sich zu sagen scheint: Ätsch, ich geh doch rein!

Nur vier Minuten später macht Deutschlands damals vielleicht bester Stürmer, der allerdings unglaublicher Weise zum zweiten mal nicht mit zur WM fahren darf, alles klar. Uli Borowka wusste gar nicht, wo Kuntz gerade war, der ließ Reck aus kurzer Distanz keine Chance. Borowka, immerhin mit Spitznamen wie „Eisenfuß“ oder „die Axt“ ausgestattet, ist wohl noch drei Tage schwindlig gewesen. Kein Zweifel konnte es verdrängen, dieses Mal würde es klappen. Bis zur Pause kam Werder gar nicht mehr über die Mittelinie, war völlig konsterniert. Vielleicht hätte der Betze hier auch, wie man so schön sagt, den „Sack zu machen“ müssen, das vierte oder gar fünfte Ding war drin. So ging's mit 3:0 in die Pause.

In der zweiten Hälfte sahen die 76.400 Zuschauer, darunter etwa 32.000 nach dem ersten Titel seit 37 Jahren lechzende FCK-Anhänger, einen völlig ausgewechselten SV Werder. Rehhagel hatte schon vorher Neubarth gebracht, Werder machte von Beginn an Feuer. Jetzt war der FCK von der Rolle. Trainerfuchs Rehhagel holte zum nächsten Schlag aus, merkte, dass er den Betze jetzt mit allen Mitteln an die Wand spielen musste und brachte einen weiteren Stürmer mit „Clevermeier“ Manfred Burgsmüller, damals schon 40 Jahre jung - die Grün-Weißen jetzt also mit vier Spitzen. Schon eine Minute später kombinierten die beiden Neuen par excellence und die Kugel zappelte hinter Gerry Ehrmann im Netz (54.). Kalli Feldkamp, nicht zimperlich mit „Sündern“, nahm Friedmann sofort runter und brachte Roger Lutz. Der FCK konnte das Spiel beruhigen und blieb 15 Minuten sorgenfrei. Lelle und Scherr konnten jedoch offensiv keine Akzente mehr setzen, wurden jetzt im defensiven „Infield“ immens beschäftigt.

Doch dann raffte sich Werder nochmal auf und kam eben durch Burgsmüller in der 72. Minute zum Anschlusstreffer. Feldkamp brachte Axel Roos für Schupp um die Defensive zu stärken und der FCK beschränkte sich fortwährend aufs Kontern, wovon jedoch nicht viel zu sehen war. Burgsmüller, immer wieder Burgsmüller, und auch gute Chancen durch Herrmann und Riedle - von Roos einmal unsanft gebremst, hätte auch Elfer geben können - schienen die Verlängerung geradezu herbei zu schreien. Das konnte doch nicht wahr sein. Als „Methusalem-Manni“ dann am herauseilenden „Banzei-Gerry“ etwa fünf Minuten vor Schluss scheiterte, hätte Werder den Ausgleich eigentlich verdient gehabt.

Doch das Feldkamp'sche Bollwerk hielt! Vor allem dank Franco Foda. Er machte sein bestes, leider auch sein letztes Spiel im roten Dress. Um 19:52 Uhr war der 1.FC Kaiserslautern zum ersten Mal deutscher Pokalsieger! Um 20:00 Uhr sahen etwa 20 Millionen deutsche Staatsbürger und zehn Millionen Noch-DDR-Bürger nicht die Tageschau, sondern FCK-Kapitän Stefan Kuntz mit dem aus den Händen von Bundespräsident Richard von Weizsäcker übergebenen Pott!

Kurios, auch Reinhard Stumpfs Schwester wurde an diesem Tag deutscher Pokalsieger, zuvor nämlich mit den Damen des FSV Frankfurt, das gab es seither auch nie mehr. Foda erhielt nach dem Spiel sofort ein Angebot aus Bremen, wechselte aus Verärgerung über Kalli schließlich aber nach Leverkusen, weil er sich nicht vorstellen konnte, dass „der FCK in die Spitze der Bundesliga vorstoßen kann.“ Der FCK sollte in den nächsten vier Jahren gemeinsam mit Werder Bremen die Spitzenmannschaft Deutschlands! Stefan Kuntz, der wohl hoffte, dass sich Franz Beckenbauer in Kitzbühel tot ärgere, da er nicht fürs WM-Aufgebot nominiert wurde, umarmte den „alten Fritz“ und den „Windhund“ in der Kabine und sagte: „Schmeißt die alten Wimpel fort!“

Diese ewigen Helden holten den ersten Titel seit 1953 in die Pfalz:

Gerry Ehrmann - Franco Foda - Reinhardt Stumpf, Kay Friedmann (Roger Lutz 57.) - Uwe Scherr, Markus Schupp (Axel Roos 77.), Demir Hotic, Frank Lelle, Tom Dooley - Bruno Labbadia, Stefan Kuntz

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Rossobianco

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