Neues vom Betzenberg

Das Fritz-Walter-Stadl

Über „Besserungsscheine, die ihr Papier nicht wert sind“, Verrechnungsmodelle und Steuergelder

Von Andreas Erb

Rückblick. Pressekonferenz im Rathaus. Der Oberbürgermeister atmet tief durch. Puh! Gerade hat Klaus Weichel die Insolvenz der Gartenschau abgewendet. Dann der nächste Härtetest für die Stadt und ihre Stadiongesellschaft: Der FCK vor dem Abstieg in die dritte Liga. Kann sich der Verein die Stadionmiete in Höhe von jährlich 3,2 Millionen Euro noch leisten? „Das könnte den Stadtrat vor schwere Entscheidungen stellen“, prophezeite der Oberbürgermeister beim Pressegespräch 100 Tage nach Amtsantritt. Im Interessenskonflikt zwischen finanzpolitischer Vernunft und fußballverrückter Emotion machte der Stadtrat damals Klimmzüge. 5,3 Millionen Euro erließ er dem 1. FC Kaiserslautern in den vergangenen fünf Jahren an Stadionpacht, um den Club zu retten. Dagegen gab‘s Besserungsscheine: Der FCK versprach, das Geld zurückzahlen. Wenn‘s ihm denn besser geht...

Groß die Erleichterung, als es 2010 mit dem Wiederaufstieg in die Erste Liga klappte. Von nun an sollte die städtische Stadiongesellschaft, die dem Verein die Arena vermietet und damit ihre eigenen Zinszahlungen für den Kauf der Immobilie gerade so bedienen kann, auf Rückzahlungen hoffen dürfen. Jedoch: 2012, im erneuten Abstiegsjahr, musste die Stadt wieder tätig werden, um dem Verein die Ligalizenz zu sichern. Dem Club wurden zusätzlich 1,2 Millionen Euro Miete wiederholt gestundet, zunächst verzinst bis Mitte 2013. Und die zuvor reduzierten 5,3 Millionen Euro sollen nun mit vergangenen Investitionen verrechnet werden - ein Modell, mit dem die Stadiongesellschaft ihre Forderungen gegenüber dem FCK teilweise indirekt schlichtweg abschreibt.

Heute hört sich das so an: „Besserungsscheine sind im Wirtschaftsleben in aller Regel Zahlungsversprechen, die das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt wurden“, heißt es auf eine Presseanfrage an die Stadiongesellschaft. Der FCK-Vorstand untermauerte dies unlängst auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung: Man habe den Millionen-Transfer des Torwarttalentes Kevin Trapp zu Saisonbeginn 2011/12 nicht realisiert, da der Gewinn daraus dem Verein nicht genutzt, sondern der Stadt zugegangen wäre. „Wären wir ins riesige Plus gekommen, hätten wir zuerst die Besserungsscheine der Stadt tilgen müssen.“

Also selbst wenn der Club die Möglichkeit hätte, ein positives Ergebnis zu erwirtschaften, lässt er diese Möglichkeit lieber verstreichen, da er sonst seine Mietschuld zurückzahlen müsste. Bei der Stadiongesellschaft hüllt man sich in Diplomatie: „Zu dem Millionen-Transfer des Torhüters Kevin Trapp können wir kein Statement abgeben, weil die Sache nicht in unseren Kompetenzbereich fällt. Im Übrigen ist der FCK völlig autark, wie er seine Bilanz gestaltet. Dies sind ausgesprochen geschäftspolitische Dispositionen des 1. FC Kaiserslautern, auf die die Stadiongesellschaft keinen Einfluss hat.“

Die unbesetzten Posten

Stärkeren Einfluss auf die Vereinsgeschicke könnte jedoch die Stadt ausüben, wenn sie nur wollte. Ebenso könnte sich das Land RheinlandPfalz stärker einbringen, wenn es nur wollte. Schließlich subventioniert auch das Land den Club. Jüngst tat es das mit einem Betrag in Höhe von 360.000 Euro (mit städtischem Anteil von 36.000 Euro), verwendet zum Bau eines Vereinsmuseums samt VIP-Bereich. Das Geld stammt aus dem Investitionsstock des Landes, der Infrastrukturmaßnahmen vorbehalten ist.

Für Stadt und Land sollte es ein Leichtes sein, den Umgang mit öffentlichen Fördermitteln zu überwachen. In der Vereinssatzung heißt es nämlich zur Besetzung des FCK-Aufsichtsrats: „Eine Mitgliedschaft ist dem jeweiligen Oberbürgermeister der Stadt Kaiserslautern und eine weitere dem für Sport zuständigen Fachminister der jeweiligen Landesregierung des Landes anzudienen.“ Beide Posten sind derzeit jedoch unbesetzt.

Der Oberbürgermeister begründete seinen Verzicht auf den FCK-Aufsichtsratsposten bei Amtsantritt mit dem Argument, als Aufsichtsratsvorsitzender der städtischen Stadiongesellschaft einem möglichen Interessenskonflikt zwischen Stadiongesellschaft und Verein ausgesetzt zu sein. Dieser Konflikt wird nun in Verhandlungsrunden um die Stadionpacht ausgefochten - nur mit geringerem Einfluss der Stadt. So kommt es zu dem aktuellen Verrechnungsmodell, der dem Verein mehr nutzt als der Kommune.

Das Verrechnungsmodell

Ausgangssituation: 5,3 Millionen Euro hat die Stadt dem Club in den vergangenen Jahren gegen Besserungsscheine an Stadionpacht nachgelassen. Die Rückzahlung ist zeitlich nicht fixiert, sondern richtet sich nach der Bilanz des 1. FC Kaiserslautern. Erst sobald hier positive Zahlen erwirtschaftet werden, ist das Geld an die Stadiongesellschaft zurückzugeben. Aber: „Der 1. FC Kaiserslautern könnte eine Bilanzpolitik betreiben, die für die Stadiongesellschaft negativ wäre. Es ist nämlich durchaus denkbar, dass der Verein seine Bilanz korrekterweise so gestaltet, dass Bilanzüberschüsse mit den verbundenen Rückzahlungen auf die Besserungsscheine nicht eintreten“, schreibt eine offizielle Beschlussvorlage des Stadtrats im Zusammenhang mit dem Verrechnungsmodell.

Im Klartext: Selbst in der Ersten Liga könnte die finanziell gebeutelte Stadt mit einer Rückzahlung der 5,3 Millionen Euro mittelfristig nicht zwangsläufig rechnen. Stattdessen ist der Verein auf Stadiongesellschaft und Stadtrat zugekommen: Der FCK winkt. Es gibt eine Absichtserklärung, im dritten Quartal 2012 eine Million Euro an die Stadtkasse zu überweisen. „Darüber hinaus erklärt sich der 1. FCK bereit, der Stadiongesellschaft eine weitere Geldzahlung in Höhe von 500.000 Euro einzuräumen. Der Betrag ist nach Wiederaufstieg in die Erste Bundesliga zu zahlen, und zwar im zweiten Jahr der Zugehörigkeit in der Ersten Bundesliga.“ So heißt es in der Anlage zur Beschlussvorlage im Stadtrat. Der Verein winkt also mit 1,5 Millionen Euro.

Die Stadt winkt zurück: Als Vermieterin der Immobilie rechnet die Stadiongesellschaft dem Verein nun Investitionen in das Stadion aus der Vergangenheit auf die Besserungsscheine an. Dazu zählen Ausbau von Gastronomie, Fanshop, Kiosk, Kartenservice, Clublounge oder Geschäftsräumen in Höhe von 1,8 Millionen Euro. Ein weiterer Bonus: Der 1. FC Kaiserslautern beabsichtigt, ein Energiesparprogramm für das Fritz-Walter-Stadion aufzulegen und dafür 500.000 Euro in Energiesparmaßnahmen zu investieren. Diese zukünftige Investition schlägt sich nun nieder. Denn sie soll ebenfalls mit den Besserungsscheinen verrechnet werden. In der Anlage zur Beschlussvorlage des Stadtrats heißt es: „Wird der Betrag von 500.000 Euro nicht bis zum 30. Juni 2013 für den vorgenannten Zweck investiert, so ist er als Geldzahlung an die Stadiongesellschaft zu entrichten.“

Insgesamt sollen demnach 3,8 Millionen Euro (1,5 Millionen Euro beabsichtigte Zahlungen des Vereins an die Stadt, 500.000 Euro beabsichtigte Energie-Investitionen des Vereins ins Stadion und 1,8 Millionen Euro aus Investitionen der Vergangenheit etwa in Kioske oder Gastronomie) mit den Besserungsscheinen verrechnet werden. Damit wird die Schuld des Vereins von 5,3 Millionen auf 1,5 Millionen Euro gedrückt. Für den Verein ein gutes Geschäft, verringert er doch seine Zahlungsverpflichtungen. Für die Stadiongesellschaft unterm Strich allerdings wenig komfortabel.

Das vereinsfremde Vermögen

Denn während sich die mit den Besserungsscheinen verrechneten Investitionen des Vereins in das Stadion, beispielsweise in Kioske oder Gastronomie, für den Wirtschaftsbetrieb des FCK positiv auswirken, profitiert die Stadiongesellschaft als Vermieterin des Stadions mitnichten von diesem Effekt. An eine im Mietverhältnis durchaus übliche, entsprechende Beteiligung der Stadt an diesen Gewinnen, beispielsweise in Form einer adäquaten Mieterhöhung, hat im Verrechnungsmodell niemand gedacht.

Außerdem: In welche Maßnahmen konkret investiert wurde, ist der Stadtratsvorlage nicht zu entnehmen. Auch die Stadiongesellschaft verweigert aus „rechtlichen Gründen“ die Aussage. Man beteilige sich an „werthaltigen“ und „sinnvollen“ Investitionen, heißt es auf Anfrage. „Die Aufwendungen werden zurzeit vom Wirtschaftsprüfer der Stadiongesellschaft anhand der vom 1. FC Kaiserslautern vorgelegten Unterlagen, Konten und Belege geprüft, um eventuell eine Anerkennung aussprechen zu können. Ein Ergebnis der Prüfung liegt noch nicht vor“ - obwohl der Stadtrat das Thema längst behandelt hatte. Damit kommt der Wirtschaftsprüfung eine große Verantwortung zu, könnte diese einen Beschluss des Stadtrates, der in Verbindung mit der Lizenzerteilung der Deutschen Fußball-Liga an den FCK steht, möglicherweise nachträglich kippen.

Auch die Pressestelle der Stadtverwaltung schweigt auf Anfrage zum Verrechnungsmodell und der konkreten Verwendung der öffentlichen Mittel. Bemerkenswert überdies, dass bislang bauliche Maßnahmen im Umfeld des Nachwuchsleistungszentrums Fröhnerhof durch den Club ausblieben - mit dem Argument, der FCK könne ja nicht in vereinsfremde Immobilien investieren. Eine eben solche Investition ins vereinsfremde Stadion jedoch soll nun die Besserungsscheine mindern.

Die Millionen-Abschreibung

Darüber hinaus ermöglicht das Verrechnungsmodell der Stadiongesellschaft eine Abschreibung der Vereinsschulden und bedeutet so für den Steuerzahler eine Millionenbelastung. Wie‘s funktioniert? In dem Moment, in dem die Stadiongesellschaft Summen aus den Besserungsscheinen als Investitionen in das Stadion verrechnet, erhöht sich zunächst der bilanzielle Wert der Immobilie. Denn die Stadiongesellschaft verzichtet ja auf Forderungen, die ihr aus den Besserungsscheinen zustehen; dafür wächst der Stadionwert im Anlagevermögen der Gesellschaft, und es entsteht ein Ertrag. Mittelfristig wird das Stadion allerdings nach gängiger Praxis abgeschrieben, da es sich im Laufe der Jahre „abnutzt“. Folglich wird damit auch die entsprechende Summe der Besserungsscheine, die als Wertsteigerung des Stadions verbucht ist, schlicht abgeschrieben - ohne dass der FCK die Mietreduzierung faktisch monetär zurückzahlt.

Da klingt es schon verzweifelt, wenn es in der Beschlussvorlage des Stadtrats im Hinblick auf die vom Verein winkend in Aussicht gestellte Zahlung von 1,5 Millionen Euro an die Stadiongesellschaft heißt: „Regelmäßige Zinseinnahmen aus den Geldzahlungen von 1,5 Millionen Euro könnten zu einem verbesserten Status der Stadiongesellschaft beitragen und die Rückzahlung des Darlehens in Höhe von 65 Millionen Euro erleichtern.“ Ein optimistisches Vorhaben, mit den Zinserlösen einer 1,5-Millionen-Euro-Anlage ein Darlehen in Höhe von 65 Millionen Euro zu bedienen...

Was diese Passage in der offiziellen Beschlussvorlage des Stadtrats außerdem übersieht: Von den in Aussicht gestellten 1,5 Millionen Euro sollen ja nur eine Million Euro in 2012 fließen. Wohingegen 500.000 Euro für den Fall eines Erstliga-Aufstiegs erst im zweiten Erstliga-Jahr fällig wären. Im Worst Case also niemals.

Sowieso: Während man an dieser Stelle gerne auf die Zugehörigkeit des Vereins in der Ersten Bundesliga verweist, scheint man an anderer Stelle in Punkto Stadionwert nicht zwingend mit dem Wiederaufstieg zu argumentieren. Beispielsweise, wenn es um den Ausbau des Logenturms Nord-Ost und ein geplatztes Kompensationsgeschäft mit einem Handwerkernetzwerk geht, das den Stadionwert erhöht und weder Verein noch Steuerzahler belastet hätte. Der Verein bezweifelt allerdings die Vermarktbarkeit der Loge in der Zweiten Bundesliga - als würde er mittelfristig mit der Zweitklassigkeit planen - und begründet damit seine Abwehr-Haltung bezüglich des kostenneutralen Logenturm-Ausbaus.

Auch hierzu hält sich die Stadiongesellschaft bedeckt. Dies falle genauso wenig in ihren Kompetenzbereich wie die verflossenen Trapp-Millionen. So klingt die Prophezeiung des Oberbürgermeisters noch in den Ohren: „Das könnte den Stadtrat vor schwere Entscheidungen stellen...“

Nach-gefragt

„Mit den Maßnahmen zu Gunsten des 1. FC Kaiserslautern wurde der Handel zwischen den Mitgliedsstaaten der EU nicht beeinträchtigt. Darüber hinaus stellen die Investitionszuschüsse, die bisher geflossen sind, sogenannte Infrastrukturmaßnahmen dar, die nach der bisherigen Praxis in der gesamten Bundesrepublik als zulässig erachtet werden. Andere Hilfen an den 1. FCK dienten dazu, eine Überschuldung des Vereins abzuwenden beziehungsweise eine Insolvenz zu vermeiden und gleichzeitig den Verbleib des 1. FCK in der Bundesliga zu sichern.“ Antwort der Stadiongesellschaft auf die Frage, ob auf übergeordneter Ebene nicht wettbewerbsrechtliche Bedenken bezüglich der öffentlichen Subventionen des 1. FC Kaiserslautern auftreten, da der Club im bundesweiten bis internationalen Wettbewerb mit privatwirtschaftlichen Aktiengesellschaften und GmbHs konkurriert, die nicht ohne weiteres auf öffentliche Förderung zurückgreifen können. (ae)

(Der Artikel ist erschienen in der aktuellen Ausgabe des Kaiserslauterer „Wochenblatts“. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.)

Quelle: Wochenblatt

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