Neues vom Betzenberg

Gegner-Check: 96 trifft aus elf Metern immer, aber sonst?

Gegner-Check: 96 trifft aus elf Metern immer, aber sonst?


Mit Hannover 96 trifft der 1. FC Kaiserslautern am Samstagabend auf einen Gegner, der ge­win­nen muss, um oben dranzubleiben. Die 96er werden agieren wollen, die Roten Teu­fel dür­fen reagieren. Das sollte ihnen eigentlich zusagen.

So lief's seit dem Hinspiel: Als die Roten aus Hannover am 9. Spieltag auf den Betzenberg kamen, waren sie nach einem durchwachsenen Start mit zwei Unentschieden gerade gut in Tritt gekommen. Vier Siege aus den vorigen sechs Spielen, nur eine Niederlage. In Lautern dann unterlagen sie 1:3, nach einer lange offenen Partie, Aaron Opoku schoss den FCK erst in der 79. Minute 2:1 in Front, Boris Tomiak markierte den dritten Treffer spät in der Nachspielzeit, indem er seinen zweiten Elfmeter in diesem Spiel verwandelte. Die zweite Hinrunden-Hälfte lief für die Niedersachsen wenig berauschend. Zu Weihnachten hingen sie auf Rang 8 ab, ein wenig zu tief für ihre Ansprüche. In die Rückrunde starteten sie fulminant. Vier Siege, ein Remis in den ersten fünf Partien, damit gingen sie wieder auf Tuchfühlung zur Tabellenspitze. Zuletzt aber blieben die Männer von der Leine dreimal sieglos. Vor drei Wochen setzte es eine 0:1-Niederlage gegen den Tabellenletzten Osnabrück, den Gegner, den man in der Vorrunde noch mit 7:0 niedergebügelt hatte. Allerdings: Wie widerstandsfähig die Lila-Weißen mittlerweile geworden sind, durfte der FCK ja gerade im Fritz-Walter-Stadion erleben, drum sollte man mit Vokabeln wie "Blamage" vorsichtig sein. Beim anschließenden 2:2 gegen Düsseldorf holte das Team von Trainer Stefan Leitl einen 0:2-Rückstand auf, beim 1:1 in Wiesbaden egalisierten sie eine Führung der Gastgeber. Die Hannoveraner haben also durchaus Comebacker-Qualitäten, wie sie die Lautrer zuletzt erstmals seit einem halben Jahr wieder aufblitzen ließen.

Das hat sich geändert: Man muss es ihnen lassen, mit ihrer "Politik der kleinen Schritte" meinen es die Niedersachen wirklich ernst. Trotz ihres wenig befriedigenden Tabellenrangs zur Winterpause wurden sie nicht am Transfermarkt aktiv. Obwohl mit Derrick Köhn einer ihrer Leistungsträger für kolportierte 3,35 Millionen Euro nach Istanbul wechselte. Geld wäre also da gewesen. Doch Stefan Leitl wollte lieber mit dem vorhandenen Spielermaterial weiterarbeiten. Seit Beginn der Rückrunde lässt der Coach wieder mit Vierer-Abwehrkette, Mittelfeldraute und Doppelspitze spielen. Was sich bewährt hat, der Punkteausbeute nach zu urteilen. Trotz der drei sieglosen Partien zuletzt stellt Hannover 96 weiterhin das bislang zweitbeste Rückrunden-Team, hinter, na klar, dem FC St. Pauli. Ansonsten ergaben sich Änderungen immer wieder in Folge von Verletzungen und Leistungsschwankungen etlicher tatsächlicher oder lediglich vorgesehener Stammkräfte, wie wir gleich sehen werden.

Gewinner und Verlierer: Es gibt zwar kein Kommen und Gehen mehr in Hannover, dafür ein permanentes Auf und Ab. Mittelfeldspieler Sebastian Ernst war in der Hinrunde weg vom Fenster, hat sich in der Rückrunde aber wieder als Stammkraft etabliert. Kollege Louis Schaub baute gegen Ende der ersten Halbserie ab, flog auch mal vom Platz, ist seit Jahresbeginn jedoch ebenfalls wieder regelmäßig mit dabei. Stürmer Cedric Teuchert führte die Torschützenliste an, als er am 9. Spieltag auf den Betzenberg kam. Mittlerweile muss er sich meist hinter den Stürmern Harvard Nielsen und Nicolò Tresoldi anstellen. Kollege Andreas Voglsammer ist ebenfalls nur Teilzeitarbeiter, hat aber schon fünf Treffer auf dem Konto. Talent Brooklyn Ezeh, eigentlich prädestiniert, in Köhns Fußstapfen zu treten, geriet aus privaten Gründen in eine mehr seelisch bedingte Schieflage und hat noch nicht wieder in die Spur gefunden. Ebenso schaffte es Max Christiansen nach einer Verletzung zu Saisonbeginn nicht, zu der festen Größe zu werden, als die er vorgesehen war. Der Russe Max Besuschkow kam ebenfalls kaum noch zu Einsätzen und wanderte in der Winterpause nach Klagenfurt ab. Gewinner? Auf jeden Fall der Ex-Freiburger Enzo Leopold, der sich in seinem zweiten Jahr bei 96 im zentralen Mittelfeld nun festgespielt hat. Ebenso wie der erst 20-jährige Bright Arrey-Mbi, der bereits Stammkraft in der Innenverteidigung ist. Und Marcel Halstenberg? Der ist die Korsettstange geworden, als die er eingeplant war, nachdem er aus Leipzig an die Leine zurückkehrte. Macht ihn das zum Gewinner? Wir meinen, ja, angesichts der Erstliga-Veteranen, die es in der jüngeren Vergangenheit eine Klasse tiefer versuchten und längst nicht so gut einschlugen wie Halstenberg. Paderborns Coach Lukas Kwasniok rechnet den 32-Jährigen übrigens zu den beiden besten Innenverteidigern der Liga. Den anderen sieht er in - hört, hört - dem Lautrer Boris Tomiak.

Zahlenspiele:Jan Elvedi und Co. sollten vor allem bei Abwehraktionen im Strafraum vorsichtig sein. Achtmal schon wurde für Hannover Elfmeter gepfiffen - und alle wurden verwandelt. Sechsmal traf allein Teuchert - gut, dass er nicht immer auf dem Platz steht. Im Spiel gegen den Ball fackeln die Hannoveraner nicht lange: Im Schnitt gestatten sie dem Gegner nur 9,91 Ballkontakte, ehe sie attackieren. Nur Magdeburg und der HSV verzeichnen niedrigere Werte. Im Ranking der "gewonnenen Zweikämpfe" haben sie nunmehr zu Tabellenführer Osnabrück aufgeschlossen, der im richtigen Leben Letzter ist. Wir haben schon vergangene Woche darauf hingewiesen, dass sich aus dieser Vergleichstabelle keine Rückschlüsse auf Erfolg ziehen lässt. Zum Hinspiel kamen die Niedersachsen noch mit der besten Offensive der Liga in die Pfalz, weil sich da noch das 7:0 gegen Osnabrück nachhaltig niederschlug. Mittlerweile hat sich die Trefferquote nivelliert. 46 bislang erzielte Tore bedeuten Rang 6 im Ligavergleich. Die Defensive ist mit erst 34 Gegentoren dagegen die viertbeste der Klasse. Ein Wert, von dem die Roten Teufel nur träumen können. Mit nunmehr 50 Gegentoren stellen sie derzeit die schlechteste Abwehr.

Fazit: Nach drei sieglosen Spielen braucht das Leitl-Team einen Sieg, um auf Tuchfühlung zu den Aufstiegsplätzen zu bleiben. Na und, wird mancher jetzt einwerfen. Rostock und Osnabrück standen zuletzt ebenfalls unter enormen Erfolgsdruck. Die beiden Kellerkinder aber verfügten weder über die spielerischen Mittel noch über den Ehrgeiz, die Partie aus diesem Grund dominieren zu wollen. Das dürfte sich im Niedersachsenstadion ein wenig anders darstellen. Die Roten werden agieren, die Roten Teufel dürfen reagieren, was ihnen zupass kommen sollte. In den jüngsten beiden Spielen ist Friedhelm Funkels kompakter Block, der sich auf jeweils zehn Metern vor und hinter der Mittellinie staffelt, ordentlich zusammengewachsen. Die Gegentreffer gegen Osnabrück fielen beide nach Standards, so dass der FCK nun schon seit zwei Partien kein Tor aus dem Spiel heraus mehr kassiert hat. Die große Frage bleibt: Wer ersetzt den gelbgesperrten Marlon Ritter? Nach seinem Traumtor zum 2:2 gegen den VfL würden viele sicher gerne Chance Simakala in der Startelf sehen. In der Tat übernahm die Leihgabe aus Kiel nach seiner Einwechslung die Rolle, die zuvor Ritter gespielt hatte, während MR7 sich weiter zurückzog. Simakala interpretierte diese aber sehr offensiv, war eigentlich mehr Stürmer als Zehner. Wenngleich sein Schnittstellenpass auf Richmond Tachie, das Ragnar Aches Siegtreffer ermöglichte, ein Spielmacher-Zuspiel allererster Güte war. Die Simakala-Variante wäre also die offensivere - ob Funkel sie riskiert? Von der bislang praktizierten Spielanlage und vom Typ her wäre Tobias Raschl der passendere Reserve-Ritter. Nicht zu vergessen Daniel Hanslik: Laufstark, taktisch klug und mit Stürmerblut. Es darf gerätselt werden.

Quelle: Der Betze brennt

Weitere Links zum Thema:

- Samstag, 20:30 Uhr: Wer ersetzt den gesperrten Ritter? (Der Betze brennt)

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