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Gegner-Check FCSP: Auf dem Kiez geht's steil nach vorne

Gegner-Check FCSP: Auf dem Kiez geht's steil nach vorne


Wird sich der Anhang des 1. FC Kaiserslautern auch im Freudenhaus der Liga amüsieren? Der FC St. Pauli ist in der Hinserie hinter den eigenen Ansprüchen zurückgeblieben, aber fulminant in die Rückrunde gestartet.

So lief es seit dem Hinspiel: Das 1:2 im Fritz-Walter-Stadion am 3. Spieltag markierte die erste Saisonniederlage der Sankt Paulianer. Der Rest der Hinrunde verlief ebenfalls wenig erbaulich: nur 17 Punkte und Platz 15 nach 17 Spielen. In der Winterpause veranlasste Sportchef Andreas Bornemann die Trennung von Trainer Timo Schultz. War zu erwarten? Die Phrase von den "Mechanismen des Geschäfts" trifft in diesem Fall kaum. Trotz des mauen Tabellenstands war Urgestein Schultz, der als Trainer und Spieler 17 Jahre im Dienste St. Paulis stand, im Umfeld nach wie vor beliebt. "Eine fatale Auswärtsschwäche, die fehlende Balance zwischen Defensive und Offensive, mangelnde Weiterentwicklung", fasste der "Kicker" die Kriterien zusammen, die Bornemann dennoch handeln ließen. Und auch die Nachfolge regelte der Sport-Geschäftsführer nicht im Sinne des Mainstreams. Ums Millerntor herum hätten viele gerne den erfahrenen Uwe Neuhaus als Coach gesehen, Bornemann aber verpflichtete dessen lediglich dessen ehemaligen Assistenten Peter Nemeth als neuen Sidekick und beförderte den bisherigen Co-Trainer, den erst 29-jährigen Jens Hürzeler, zum Chef. Bislang hat sich Bornemanns Mut ausgezahlt: Wie der FCK startete auch der FC St. Pauli mit zwei Siegen ins neue Jahr, gewann 1:0 in Nürnberg, anschließend 2:0 gegen Hannover.

Das hat sich geändert: Interessant - die Ideen, mit denen Hürzeler beim jüngsten 2:0 gegen Hannover 96 aufhorchen ließ, sind gar nicht so neu. Der als Zehner bekannte Lukas Daschner als beweglicher Mittelstürmer, der als Sechser profilierte Eric Smith als Abwehrspieler - so hatte auch Vorgänger Schultz die beiden gelegentlich schon aufgestellt. Hürzeler habe an den berühmten Stellschrauben gedreht und so die Abläufe insgesamt verbessert, heißt es nach dem erfolgreichen Saisonstart. Auch die Dreierkette hinten etablierte der Ex-Trainer bereits Mitte der Hinrunde. Vor dieser setzt Hürzeler nun auf eine Viererreihe, die drei verbleibenden Offensivkräfte lässt er variabel agieren. Denkbar sind ein Dreiersturm, in dem alle mit Freiheiten ausgestattet sind, oder eine Variante mit Zehner und Doppelspitze.

Gewinner und Verlierer: Vier Neuzugänge vermeldete der FC St. Pauli in der Winterpause. Direkt den Sprung in die Startelf schaffte der vom FC Zürich geliehene Este Karol Mets als Innenverteidiger. Auf dem linken Flügel machte der von den Bolton Wanderers geholte Oladapo Afolayan vor allem zuletzt gegen Hannover eine gute Figur. Ihm wird zugetraut, Etienne Amenyido den Rang abzulaufen, den aktuell die Adduktoren plagen, der aber auch sonst noch nicht viel gerissen hat. Überhaupt drückt der Schuh im Sturm. Der Ex-Bremer Johannes Eggestein ist gemeinsam mit Daschner mit fünf Treffern bislang bester Torschütze, verzeichnet in der Rückrunde aber erst sieben Einsatzminuten. Hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist auch der Hoffenheimer Nachwuchsstürmer David Otto, und die Frankfurter Leihgabe Igor Matanovic kam in Hamburg bisher auf so wenig Spielpraxis, dass in der Winterpause sogar mal angedacht war, die Leihe zu beenden. Zum Jahresbeginn durchgestartet ist dagegen Connor Metcalfe, der in der Vorrunde nur auf einen Startelf-Einsatz gekommen war. Hürzeler stellt ihn nun offensiver auf als sein Vorgänger. Gegen Hannover dankte ihm der Australier seine zweite Startelf-Nominierung in Folge mit einem sehenswerten Treffer.

Sie mögen's vertikal: Trotz des bescheidenen 15. Tabellenplatzes erreichen die Kiezkicker in einigen Statistiken herausragende Werte. Im Hinterkopf behalten sollten die Lautrer vor allem: In der Heimtabelle rangieren ihre Gastgeber auf Rang 6 - und sie haben am Millerntor noch kein Spiel verloren. Nur der SC Paderborn und der Hamburger SV schießen öfter aufs Tor, nur der Lokalrivale und der Karlsruher SC flanken öfter. Und nur der HSV kommt im gegnerischen Strafraum öfter an den Ball als St. Pauli. Keine andere Mannschaft passt öfter - im Schnitt 14,3 Mal pro Spiel. Und keine spielt öfter steil, im Mittel 76,55 Mal pro Partie, und das mit 75,3 Prozent Genauigkeit. Dafür verantwortlich zeichnet vor allem der linke Außenbahnspieler Leat Paraqada. Dass der 28-Jährige gut flanken kann, ist schon länger bekannt, aber beherrscht auch das linienüberwindende Passspiel und versteht sich auf den finalen Pass. Als Balleroberer nach wie vor eine unverzichtbare Größe im zentralen Mittelfeld ist der Australier Jackson Irvine.

Fazit: Angesichts der Begeisterung der Gastgeber fürs steile Spiel muss die oberste Maxime lauten: In der Tiefe gut gestaffelt stehen und bei eigenen Angriffen auf eine stabile Restverteidigung achten. Im Grunde also erneut die Dinge richtig gut machen, die die Roten Teufel schon im überwiegenden Teil dieser Saison richtig gut gemacht haben. Zudem werden sie vielleicht kurzfristig auf personelle Rochaden reagieren müssen, die sich Hürzeler speziell für diese Partie ausgedacht hat. Bringt er Daschner erneut im Sturmzentrum, oder zieht er ihn auf die Zehn zurück und präsentiert davor wieder einen klassischen Mittelstürmer? Wenn Afolayan seine starke Leistung aus dem Hannover-Spiel bestätigt, droht vor allem Lauterns rechter Abwehrseite Schwerstarbeit, zumal auch der hinter dem linken Flügelmann positionierte Paraqada am Passen und Flanken gehindert werden muss. Denkbar, dass Dirk Schuster am rechten Flügel wieder auf ein Pärchen setzt, dessen Stärken eher im Zweikampf liegen: Erik Durm als Verteidiger, Jean Zimmer davor. Der zuletzt gegen Kiel stark auftrumpfende Aaron Opoku könnte dann auf die linke Seite wechseln, Kenny Redondo von der Bank kommen. Und wenn es gelingt, die gegnerischen Aktivposten dauerhaft zu neutralisieren, ließe sich irgendwann ausspielen, dass der FCK das hat, was St. Pauli fehlt: einen Torjäger. It's up to you, Terrence Boyd.

Quelle: Der Betze brennt

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