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Gereift im Auf und Ab: Ben Zolinski im DBB-Porträt

Gereift im Auf und Ab: Ben Zolinski im DBB-Porträt

Foto: Imago Images

Ben Zolinski - "einer, der Durchmarsch kann"? Ist uns zu großspurig. Der 30- jährige Neu­zugang des 1. FC Kaiserslautern ist eher einer, der schon alles erlebt hat, was der Fußball zu bieten hat - und darf gerade deswegen als gereifte Spielerpersönlichkeit gelten.

Bereits sein Karrierestart verlief alles andere als rund. Vor seinem 24. Geburtstag kickte der gebürtige Berliner, der Mecklenburg als seine Heimat und sich selbst als Dorfmensch bezeichnet, noch beim Regionalligisten TSG Neustrelitz. Und ihm war klar, dass sich sein Traum von der Profikarriere nun langsam erledigen würde, wenn ihm nicht in diesem Jahr der Sprung nach oben gelingt. Den hatte er geträumt, seit er in seiner Jugend bei Hansa Rostock spielte. Zwei Jahre über ihm kickte bis 2006 ein gewisser Toni Kroos, der schon als 16-Jähriger zu Bayern München transferiert wurde.

"Ich hab mich in dieser Saison 2015/16 dann nochmal voll auf Fußball fokussiert", erzählt Ben Zolinski später. Was sich auch in den Leistungsdaten dieser Spielzeit widerspiegelt: Als Rechtsverteidiger erzielt er sechs Treffer und gibt fünf direkte Vorlagen. Zweitliga-Absteiger Paderborn wird auf ihn aufmerksam und verpflichtet ihn, um mit ihm den direkten Wiederaufstieg anzupeilen.

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"Leidenschaft und Wille": Trainer-Unikum Baumgart hat Zolinski geprägt

Der Neuling schafft auch sofort den Sprung in die Stammelf, doch für sein Team läuft es alles andere als rund. Der neu formierte SCP findet nicht zusammen, gerät in Abstiegsgefahr, wechselt zwei Mal den Trainer und landet am Ende dennoch auf Abstiegsplatz 18 - und Ben Zolinski droht nur ein Jahr nach seinem Aufstieg direkt wieder viertklassig zu werden. Nur der Lizenzentzug der Münchner Löwen sichert den Westfalen doch noch den Klassenerhalt. Und das ist nicht die einzige glückliche Fügung, von der der Spätstarter von nun an profitiert: Im April 2017 hat Paderborn Steffen Baumgart als Trainer verpflichtet. Ein Typ, der auch Zolinski in den kommenden Jahren prägen wird: "Baumgart steht, wofür ich auch stehe: Leidenschaft und hundertprozentigen Willen."

Baumgart krempelt den Paderborner Kader im Sommer nochmal tüchtig um, holt Spieler wie den heutigen Darmstädter Torjäger Phillip Tietz oder Marlon Ritter, der nun in Kaiserslautern erneut Zolinskis Teamgefährte sein wird. Den bisherigen Rechtsverteidiger setzt der Coach fortan mindestens eine Position weiter vorne ein, in der Schlussphase der Saison sogar als Stürmer. Zolinski erzielt zehn Treffer, gibt zwei Vorlagen - und Paderborn steigt als Tabellenzweiter auf.

Mit Paderborn in der Bundesliga gescheitert, aber "Duftmarken gesetzt"

In der Saison 2018/19 gelingt dem SC Paderborn sensationell der Durchmarsch - vom Fast-Absteiger in die Regionalliga hinauf in die Bundesliga. Der Klub schließt auch im Unterhaus auf Rang 2 ab, Zolinski spielt fast durchgehend im Sturm, wenngleich mit weniger Abschlüssen: nur vier Treffer und zwei Vorlagen stehen zu Buche. Die anschließende Spielzeit in der Ersten Liga mutet auf dem Papier an wie die vieler anderer Teams, die es mit einem im Grunde nicht wettbewerbsfähigen Etat dennoch ins Oberhaus schafften: Sie endet mit gerade mal 20 Punkten auf Rang 18.

Aber: Die Paderborner sind anders aufgetreten als die meisten Underdogs, haben stets mutig das Spiel nach vorne gesucht. Sind darum immer wieder mal böse untergegangen, haben aber auch "Duftmarken gesetzt", wie Zolinski erzählt. Vor allem das 3:3 in Dortmund ist ihm in Erinnerung geblieben, nach 3:0-Führung des SCP, wohlgemerkt. Zolinski hat zum zwischenzeitlichen 2:0 durch Streli Mamba die Vorlage gegeben. Er ist im Bundesliga-Jahr nicht mehr uneingeschränkt Stammspieler, kommt aber auf 14 Starfelf-Einsätze, drei Treffer, zwei Vorlagen. Wieder wird er fast ausschließlich im Sturm eingesetzt: "Die Rolle hab ich auf höchstem Niveau gespielt, da fühle ich mich auch am wohlsten."

» Zum Video: Paderborns fulminanter Auftritt mit Zolinski und Mamba in Dortmund

Nach Bundesliga zehn Wochen arbeitslos - Neustart bei Schuster in Aue

Nach diesem Höhenflug folgt wieder ein Rückschlag: Nach dem Abstieg verlängert Paderborn Zolinski Vertrag nicht mehr, und im Corona-Sommer 2020 will sich zunächst kein neuer Arbeitgeber finden. Erst im September erhält er die Chance, bei Erzgebirge Aue zu unterschreiben. Kurz zuvor ist Dirk Schuster dort Trainer geworden. "Ben bringt alle Voraussetzungen mit, um eine echte Verstärkung für unsere Mannschaft zu sein", erklärt dieser bei seiner Vorstellung. "Er besitzt eine gute Ausbildung und viel Erfahrung. Er kann sich durchsetzen und viel für unser Spiel leisten, defensiv wie auch offensiv." Schuster setzt den Rechtsfuß vornehmlich rechts offensiv, immer wieder aber auch auf anderen vorderen Postionen ein.

Auf diese Allrounder-Qualitäten setzten in abgelaufenen Saison ebenso Schusters diverse Nachfolger, zuletzt der erfahrene Pavel Dotchev. Unterm Strich kam Zolinski sogar öfter auf der linken Seite zum Einsatz als auf seiner angestammten rechten. Mit vier Treffern und drei Vorlagen war er zweitbester Scorer des Zweitliga-Absteigers. Seinen spektakulärsten Auftritt hatte Ben Zolinski aber auf seiner Ursprungsposition als Rechtsverteidiger, beim 2:0-Auswärtssieg der Auer in Heidenheim. Da erzielte er beide Treffer. Und die Art, wie er sie erzielt, verrät ein wenig von seinen Qualitäten:

» Zum Video: Ben Zolinski schießt Aue zum 2:0-Sieg in Heidenheim

Treffer Nummer eins resultiert aus einer technisch sauberen Direktabnahme. Und wie er sich vor Treffer zwei von der rechten Seite in den Strafraum schmuggelt, erinnert ein wenig an Lauterns Philipp Hercher. Ob die zwei künftig als Duo auf der rechten Seite zu sehen sein werden?

Wie sehr Zolinski mit seinen 30 Jahren bereits als Persönlichkeit gereift ist, deutet dieser Ausschnitt an: Da analysiert Zolinski vor laufender MDR-Kamera das mit 0:3 verlorene Heimspiel der Auer gegen Karlsruhe. Und redet dabei eher wie ein Trainer als wie ein Spieler.

Und ganz viel über sich erzählt Ben Zolinski in dieser Fragerunde anlässlich seiner Vorstellung beim FC Erzgebirge Aue im September 2020.

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Quelle: Der Betze brennt

Weitere Links zum Thema:

- Offensiv-Allrounder Ben Zolinski kommt aus Aue zum FCK (Pressemeldung FCK)

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