Neues vom Betzenberg

19. Mai 1990: Pokal-Triumph im fünften Anlauf

Heute vor 30 Jahren: Der erste Pokalsieg des 1. FC Kaiserslautern - ein etwas persönlicherer Rückblick von Matthias Gehring von der Initiative Leidenschaft FCK.

Es war ein unvergessliches Erlebnis und ein in mehrfacher Hinsicht ganz besonderer FCK-Tag. Jener 19. Mai 1990. Die Roten Teufel hatten in einer von Abstiegsängsten geprägten Spielzeit neben dem mühsam erkämpften Klassenerhalt das Endspiel um den DFB-Pokal erreicht. Die Finalteilnahme führte die Schützlinge von Trainer Karl-Heinz Feldkamp um Mannschaftskapitän Stefan Kuntz nach Berlin. In das Stadion, in dem der FCK 37 Jahre zuvor den bis dato letzten Titel feiern durfte, den Gewinn der Deutschen Meisterschaft. Es war auch das erste Pokalfinale im geschichtsträchtigen Berliner Olympiastadion nach dem friedlichen Fall der Mauer.

Es war eine Zittersaison, die Saison 1989/1990. Der FCK sah nach dem ersten Drittel der Rückrunde wie ein sicherer Absteiger aus. Nach der blamablen 0:4-Schlappe beim Rivalen aus Mannheim musste Trainer Gerd Roggensack seinen Stuhl räumen. Es kam Karl-Heinz Feldkamp, der sich nach seinem ersten erfolgreichen Engagement am Betzenberg in den Jahren 1978 bis 1982 nun also anschickte den Klassenerhalt noch zu stemmen. Zu diesem Zeitpunkt stand der FCK trotz der bedrohlichen Lage in der Liga, im Pokalwettbewerb im Halbfinale. Das Los führte die Roten Teufel für diese letzte Partie vorm Finale vom pfälzischen Betzenberg hinüber hessischen zum Bieberer Berg nach Offenbach. Die dort heimischen Kickers waren in der Vorsaison wegen Lizenzentzug in die Amateur-Oberliga Hessen abgestiegen und im Halbfinale klarer Außenseiter.

Dennoch wurde es eine für den FCK mühselige Angelegenheit, die Thomas Dooley in der 52. Minute mit dem einzigen Treffer des Abends für den Gast aus der Pfalz entschied. Viele werden sich sicher noch an den nasskalten Märzabend erinnern. In den Jubel nach dem Schlusspfiff mischte sich für viele Fans die Gewissheit, wir fahren nach Berlin! Seit 1985 war das dortige Olympiastadion dauerhafter Austragungsort des DFB für das jährliche Pokalfinale. Zumindest das Erreichen des Finales wurde schon mal gebührend gefeiert. Stadionsprecher Udo Scholz hatte noch während der Feier-Runde unten am Zaun, den einen oder anderen aus der rot-weißen Jubeltraube aufgefordert auf dem Heimweg doch in seiner damaligen Kneipe in Weinheim Halt zu machen. Es wurde eine rauschende Partynacht in "Udo’s Kronenstübchen", wo bis in die Morgenstunden der Gerstensaft floss.

Die Aufmerksamkeit in den folgenden Wochen galt einzig der Frage - wie komme ich an Tickets für's Finale? Ich wohnte und studierte damals noch in der niedersächsischen Landeshauptstadt, weitab vom geliebten Betzenberg. Ich kann nicht mehr sagen über welche Kanäle es gelungen war eine Handvoll Tickets zu ergattern, aber es war gelungen. Schon am Vorabend hatte sich meine vierköpfige "Anreise-Besatzung" für die Fahrt in die heimliche Bundeshauptstadt in Hannover eingefunden. Die Anreise nach Berlin am Finaltag war für unsere rot-weiße "Reisegruppe" also nicht ganz so weit wie für die meisten FCK-Fans, die den Weg nach Berlin von der Pfalz aus antraten. Trotz ausschweifendem Vorglühen am Vorabend ging es in den frühen Morgenstunden, leicht übermüdet und mit einer Mischung aus verhaltenem Zweckoptimismus und trotziger Gewissheit Richtung Osten. Das Pokalfinale 1981, das erste, das ich live im Stadion erlebt hatte, saß noch wie ein Stachel in der noch jungen Fanseele. Die beiden Final-Pleiten 1972 und 1976 hatte ich eher aus der Distanz und noch nicht mit inbrünstiger Wahrnehmung erlebt, beim Finale 1961 hatte ich das Licht der Welt noch gar nicht erblickt.

Während die Jungs auf dem Weg über die A2 nach und nach die Biervorräte leerten und das Gesangs-Repertoire der Kurve rauf und runter zelebriert wurde, kam die letzte Reise-Etappe. Sechs Monate zuvor war die Mauer gefallen, doch der Staat DDR existierte noch. Die Einreise in die DDR an der Grenzübergangsstelle Helmstedt, ungewohnte Formsache. Am Grenzpunkt Dreilinden, der zweite Grenzübertritt, von der DDR nach Berlin. Die Grenzanlagen waren ja noch da. Lange Autoschlangen vor der Passkontrolle und dann rollte die in die Tage gekommene "Studentenkutsche" an der Glaskabine vor, hinter deren Scheibe zwei DDR-Grenzer die Annahme der Pässe erwarteten. Mit den gleichen stoischen und eisigen Gesichtsausdrücken, die man noch aus der Zeit kannte, als dies hier die Demarkationslinie zweier politischer Systeme war. Der Grenzer nahm die Pässe, schaute mit kritischem Blick in das Wageninnere, in dem fünf verstummte Gestalten saßen, vier davon mit Pegelständen in den Augen, die zum aktiven Fahren nicht mehr getaugt hätten. Überall Schals, Mützen, Bommel und diverse sonstige rot-weiße Fan-Utensilien. Mehrere Sekunden lang wanderte der strenge Blick des Mannes hinter der Scheibe, im Wechselspiel zwischen den Dokumenten vor seiner Nase und dem Wageninnern. Bis sich mit einem Mal sein eisiger Gesichtsausdruck in ein warmes Lächeln mutierte und er unter dem Tisch eine FCK-Mütze hervorzog. Die hielt er mit einer Hand hoch, mit der anderen Hand reichte er uns die Pässe zurück während er uns mit einem breiten Grinsen und mit einem noch breiteren sächsischen Akzent aufforderte - "mochd se ferd’sch"! Beide Grenzbeamte stimmten ein diebisches Lachen an, im Wageninneren war der erste Jubelschrei des Tages zu hören. Es sollte nicht der letzte bleiben.

(...)

Quelle und kompletter Text: Initiative Leidenschaft

Weitere Links zum Thema:

- Pokal-Jubiläum: FCK-Museum öffnet am 19. Mai (Initiative Leidenschaft)

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