Interview des Monats: FCK-Trainer Marco Antwerpen, Teil 1/2

"Wer positiv denkt, kann viel mehr erreichen"

"Wer positiv denkt, kann viel mehr erreichen"

Foto: Eibner/Neis

Wie tickt der Trainer des 1. FC Kaiserslautern? Im Interview des Monats beschreibt Marco Antwerpen den Fußball, den er von seinem Team sehen möchte, und erklärt sein Konzept der Willensschulung.

Der Betze brennt: Marco Antwerpen, wie verfolgen Sie die Fußball-Europameisterschaft zurzeit?

Marco Antwerpen (49): Im Rahmen meiner zeitlichen Möglichkeiten, und die erlauben nur ausgewählte Spiele. Die deutsche Mannschaft habe ich mir natürlich angeschaut, die Italiener und die Franzosen ebenfalls. Es sind nun einmal die Spiele der Favoriten, in denen man sehen kann, wie Mannschaften agieren, wie sie sich aufstellen und einer Partie den Stempel aufdrücken.

Der Betze brennt: Gibt es ein Team, von dem Sie sagen: Die spielen einen Fußball, zu dem will ich auch meine Mannschaft hin entwickeln?

Antwerpen: Da würde ich jetzt keine konkret nennen wollen. Ich achte eher auf das Spieltempo in den einzelnen Partien. Und da empfand ich beispielsweise das deutsche Spiel gegen Portugal eines der intensivsten, das ich bislang gesehen habe.

"Vierer- oder Dreierkette? Darauf kommt es eigentlich gar nicht an"

Der Betze brennt: Was auch bei diesem Turnier wieder auffällt: Es gibt im modernen Fußball keine bevorzugten Grundordnungen mehr. Die Mannschaften wechseln je nach Personal- oder Spielsituation oder Gegner zwischen Dreier- und Vierketten, zwischen einem, zwei oder drei Stürmern, sogar während des Spiels wird ständig geswitcht. Flexibel sein und bleiben - das scheint auch einer der Grundsätze Ihres Coachings zu sein.

Antwerpen: Absolut. In Pressekonferenzen werde ich immer wieder gefragt: Werden Sie mit Vierer- oder Dreierkette spielen lassen? Dabei kommt es darauf doch eigentlich gar nicht an. Ein flexibles Team wechselt jederzeit im Spiel innerhalb von Sekunden von einer Vierer- auf eine Dreierkette und wieder zurück. Diese fließenden Übergänge zu beherrschen, das ist in meinen Augen wichtig. Überhaupt ist für mich nicht die Grundordnung der entscheidende Faktor, es sind die Spielprinzipien, die in eine Mannschaft einfließen müssen.

Der Betze brennt: Was direkt zu Ihrem Debüt beim 2:0-Derbysieg gegen Waldhof Mannheim auffiel: Sie haben die Mannschaft sofort wesentlich höher im Feld positioniert als ihr Vorgänger. Das ist ungewöhnlich für einen Trainer, der mitten in der Saison eine verunsicherte Mannschaft auf einem Abstiegsplatz übernimmt. Da kennt man eher die Einstellung: Erstmal nichts anbrennen lassen, hinten sicher stehen, abwarten. Ist der Mut zum Risiko Teil Ihrer Fußball-Philosophie oder waren Sie überzeugt, dass es in dieser Situation einfach das Richtige war?

Antwerpen: Hohes Verteidigen versuche ich eigentlich immer direkt auf den Platz zu bringen. Ob das ein Risiko ist, ist Ansichtssache: Man kann ja auch sagen, wenn ich hoch verteidige, halte ich den Ball weiter vom Tor weg, also gehe ich ein geringeres Risiko ein, als wenn ich tief stehe. Wichtig sind auch hier ganz andere Dinge: Gegen den Ball gut anlaufen, gut verteidigen, aktiv bleiben. Da klappt nicht alles sofort, das hat man in den Partien nach Mannheim ja auch gesehen. Du kannst am Anfang zwar schnell Emotion in eine Mannschaft bringen, über eine andere Ansprache, über den ein oder anderen Spielerwechsel, aber bis deine Spielprinzipien auf den Platz umgesetzt werden, dauert es eine Weile.

Der Betze brennt: Unter Ihrem Vorgänger Jeff Saibene stand die Mannschaft zwar tief, doch von Ihrem Vor-Vorgänger Boris Schommers musste die Mannschaft hohes Verteidigen aber durchaus noch gewohnt gewesen sein. Insofern hätte sich dieses Prinzip doch eigentlich recht schnell implementieren lassen müssen.

Antwerpen: Da müsste ich jetzt nochmal alle Spiele durchgehen. Ich glaube aber, es waren einige dabei, wo es nicht so gut funktioniert hat. Auf jeden Fall haben wir versucht, so schnell wie möglich eine hohe Laufbereitschaft auf den Platz zu bringen. Und das war nicht so einfach. Wenn du permanent den Gegner unter den Druck setzen, Stress erzeugen willst, brauchst du dazu erst einmal die entsprechenden körperlichen Voraussetzungen.

Der Betze brennt: Sie ließen phasenweise Angriffspressing spielen. Dies aber lässt sich kaum 90 Minuten durchhalten, drum ließen sie die Mannschaft zwischendurch immer wieder tiefer stehen. Wir können uns jetzt nicht erinnern, dass sie mal ein Gegentor kassierte, weil ihr Angriffspressing überspielt wurde ...

Antwerpen: Wir haben uns gegen 1860 München mal einen Konter nach einer eigenen Ecke eingefangen, das war unangenehm, im Grunde aber eine andere Spielsituation.

"Der Plan ist mehr Ballbesitz und mehr Angriffspressing"

Der Betze brennt: In den Phasen, in der die Mannschaft zurückgezogener agieren sollte, wirkte sie dagegen weniger souverän.

Antwerpen: Das ist richtig. Wenn es ans tiefere Verteidigen ging, tat sich die Mannschaft schwerer. Denn auch da gilt es, aktiv zu bleiben, vor allem Flanken zu verhindern.

Der Betze brennt: Werden Sie künftig noch längere Phasen Angriffspressing vorsehen?

Antwerpen: Das ist der Plan. Das funktioniert aber nur, wenn wir unsere Ballbesitzzeiten noch weiter erhöhen. Denn die Momente, in denen du den Ball gut laufen lässt, kannst du auch zum Ausruhen nutzen und im Positionsspiel agieren. Natürlich nur, wenn der Gegner es zulässt. Setzt der dich ebenfalls unter Druck, geht's hin und her. Es gibt aber gerade in der 3. Liga einige Mannschaften, die sich lieber tief positionieren.

Der Betze brennt: Nach dem Traumstart gegen Mannheim gelangten sie mit dem 0:1 in Magdeburg dann einen absoluten Tiefpunkt. Fürs Umfeld war vor allem die direkt anschließende, zweiwöchige Länderspielpause schrecklich. Zwei Wochen mit sieben Punkten Rückstand auf den Nicht-Abstiegsplatz leben, ohne Aussicht, dass sich was bessert, dazu ätzende Ferndiagnosen von Leuten wie Mario Basler, zwei Rücktritte von Aufsichtsräten, Meldungen, die in Frage stellten, ob der FCK in der Regionalliga überhaupt noch im Fritz-Walter-Stadion spielen kann, und so weiter, und so fort. Wie haben Sie diese zwei Wochen erlebt? Lässt sich so viel Untergangsstimmung überhaupt fernhalten von einer Mannschaft?

Antwerpen: Auf jeden Fall hatten wir genug Zeit, in Ruhe die Defizite analysieren und aufzuarbeiten, die wir in Magdeburg gesehen hatten - und das waren einige. Wir haben in der ersten Woche viel im läuferischen Bereich gearbeitet, sind auch mal bewusst an Grenzen gegangen. Nicht, weil ich den harten Hund markieren wollte, sondern um den Spielern zu zeigen, dass es möglich ist, über Grenzen hinaus zu gehen. Willensschulung also. Das haben die Jungs gut angenommen. Und, was in diesen externen Rückblicken fast immer vergessen wird, in der zweiten Woche haben wir nur noch im fußballerischen Bereich gearbeitet. Spielprinzipien geübt, unter anderem diesen fließenden Übergang zwischen Dreier- und Viererkette.

Der Betze brennt: Werden Sie dieses Grenzen aufzeigen auch in der Vorbereitung auf die kommende Saison weiter praktizieren?

Antwerpen: Was gut funktioniert hat, macht man natürlich gerne wieder (schmunzelt). Aber jetzt ist der zeitliche Rahmen ein anderer als in dieser Länderspielpause, wo alles in einer Woche geschehen musste. Wir werden auf jeden Fall weiter an den Denkweisen arbeiten. Weg von diesem "Ich bin müde, ich kann nicht mehr", sondern zeigen: Ihr könnt viel mehr leisten, als Ihr bislang in Eurer Karriere geschafft habt. Ihr könnt im Spiel noch viel mehr Kilometer laufen, Sprints ziehen. Wer positiv denkt, kann viel mehr erreichen.

"Wir hatten uns vorgenommen, niemals ängstlich zu sein und zu zögern"

Der Betze brennt: Wenn anschließend gegen Halle die Siegtreffer zum 2:1 und 3:1 auch noch in Unterzahl gelingen, ist das für den Kopf dann nicht sogar noch besser, als es ein 4:0-Sieg gewesen wäre?

Antwerpen: Wir haben es mal so aufgenommen, aussuchen konnten wir es uns ja nicht ... Aber ja, vielleicht hat uns das den Kick gegeben, den wir brauchten. Wir hatten gesehen, dass wir nun läuferisch auf einem anderen Niveau angelangt waren - und waren dafür belohnt worden. Natürlich hatten wir auch schon vor dem Magdeburg-Spiel das Lauftraining intensiviert, aber in der Länderspielpause hatten sich die Einheiten weiter aufsummiert. Das Halle-Spiel war die Initialzündung. Klar gab es auch danach nochmal Rückschläge. Aber wir hatten uns vorgenommen, niemals ängstlich zu sein und zu zögern. Und waren überzeugt, dass wir es schaffen.

Der Betze brennt: Die Flexibilität, über die wir bereits gesprochen haben, hat im Saisonfinale vor allem ein Spieler gewährleistet: Felix Götze. Sie haben mal erklärt, dass das Switchen von Vierer- und Dreierkette vor allem ihm Freiheiten ermöglichen soll, die ihn für den Gegner noch schwerer ausrechenbar machen. Zurzeit bemüht sich FCK-Sportchef Thomas Hengen darum, Götze auch für die kommende Saison am Betzenberg zu halten. Gesetzt den Fall, es klappt nicht - sehen Sie im gegenwärtigen Kader, auch unter den Neuverpflichtungen, jemanden, der Götzes Rolle übernehmen könnte?

Antwerpen: Das könnte sich in den ersten Partien ergeben. Mit Julian Niehues etwa haben wir einen Spieler geholt, in dem wir ein solches Potenzial durchaus sehen. Aber wir sind nach wie vor optimistisch, Felix Götze am Betzenberg halten zu können.

Der Betze brennt: Bislang hieß es auch, der FCK sei an einer Weiterverpflichtung von Anas Ouahim interessiert, der vergangene Saison vom SV Sandhausen ausgeliehen war. Hat diese sich mit der Verpflichtung von Mike Wunderlich erledigt?

Antwerpen: Wir sind mit Anas weiterhin im Austausch. Er muss seine Situation in Sandhausen noch klären, wir sind jedenfalls immer noch an ihm interessiert. Zumal es auch in unserem Kader noch einige Veränderungen geben kann, uns der eine oder andere Spieler vielleicht noch verlassen will (etwa Tim Rieder hat seinen Wechselwunsch hinterlegt; Anm. d. Red.).

Der Betze brennt: Lucas Röser ist jetzt auch ins Mannschaftstraining zurückgekehrt. Zuletzt war er an Türkgücü München ausgeliehen. In den anderthalb Jahren davor gelang ihm unter keinem von insgesamt drei FCK-Trainern der Durchbruch. Wie sind seine Perspektiven bei Ihnen?

Antwerpen: Ich kannte ihn bislang gar nicht, habe ihn jetzt erst kennengelernt. Charakterlich macht er auf mich einen guten Eindruck. Wir wollen nun sehen, wie er sich präsentiert. Wir wissen, wie schwierig die Situation auf dem Spielermarkt ist. Gute Stürmer sucht jeder, da wollen wir keinen zu früh abschreiben.

"Den ganz großen Umbruch haben wir vermieden"

Der Betze brennt: Haben Sie sich eine Frist gesetzt, bis wann Sie Ihren Kader wenigstens zu 90 Prozent komplett haben möchten, um das Team optimal auf die lange Spielzeit ausrichten zu können? Zum Trainingslager? Zum Saisonstart? Oder würden Sie im Zweifelsfall auch noch drei, vier Neue zum Transferschluss am 31. August dazuholen?

Antwerpen: Vier Neue sind doch schon da, und Lucas Röser ist zumindest für mich ebenfalls ein Neuzugang. Zwei Leihspieler sind weiterverpflichtet (Jean Zimmer und Marvin Senger; Anm. d. Red), was gut ist, da die schon eingespielt sind. Den ganz großen Umbruch haben wir vermieden. Jetzt müssen wir mal schauen, was mit Felix Götze, Daniel Hanslik und Anas Ouahim wird, die wir ebenfalls gerne weiterverpflichten möchten. Und dann sehen, wer uns vielleicht noch verlassen will. Wir haben also schon einiges bewegt, auch wenn noch nicht alles konkret festgeklopft ist.

Der Betze brennt: Bleibt Avdo Spahic die unangefochtene Nummer 1? Oder rufen Sie nun erst einmal einen Zwei- oder gar einen Dreikampf um die Position der Torhüters aus?

Antwerpen: In der Vorbereitung werden auch Matheo Raab und Lorenz Otto die Gelegenheit bekommen, sich zu zeigen. Wir geben keine Stammplatzgarantien, auch auf dieser sensiblen Position nicht. Am Ende zählt nur die Leistung.

Der Betze brennt: Bleibt Andreas Clauß Torwarttrainer? Nach dem Abgang von Sven Höh wurde er bislang nur als Interimslösung bezeichnet ...

Antwerpen: Wir gehen davon aus, dass er bleibt. Er kennt den Verein, muss sich nicht groß einarbeiten, ebenso wenig wie Oliver Schäfer, der uns jetzt ebenfalls im konditionellen und athletischen Bereich unterstützt und gleichzeitig die U21 coachen wird.

Morgen im zweiten Teil unseres Interviews des Monats: Marco Antwerpen über die Gespräche mit neuen Spielern, Begegnungen mit Olaf Marschall und Michael Ballack sowie seine Zukunft beim 1. FC Kaiserslautern.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer, Thomas Hilmes

Weitere Links zum Thema:

- Teil 2 des Interviews: "Es reicht nicht, nur qualitativ gute Spieler zu haben"

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