Saisonrückblick 2007/08, Teil 2

Die Rückrunde: Neues Herzblut und späte Auferstehung

Die Rückrunde: Neues Herzblut und späte Auferstehung


Der mit Aufstiegsambitionen in die Saison gegangene 1. FC Kaiserslautern stand auf einem Abstiegsplatz, trotz kurzfristigem Schulterschluss auf der Jahreshauptversammlung brodelte der Betzenberg weiter. Die Vorrunde brachte nicht nur in der Mannschaft, sondern auch in der Vereinsführung viele Änderungen: Sportdirektor Michael Schjönberg, der die Mannschaft fast im Alleingang zusammengestellt hatte, trat zurück, sein Nachfolger Klaus Toppmöller tat es ihm noch vor dem Jahreswechsel gleich. Dem Vorstand wurden gleich drei neue, ehrenamtliche Helfer zur Seite gestellt, was im Rückblick jedoch nur noch mehr Unruhe brachte. Desaströse Voraussetzungen für die vielleicht wichtigste Rückrunde der Vereinsgeschichte!

Kurz nach dem Jahreswechsel wurde schließlich Fritz Fuchs als Nachfolger von Klaus Toppmöller und damit dritter Sportdirektor der Saison vorgestellt. Eine seiner ersten Amtshandlungen war der Rückverkauf von 700.000-Euro-Irrtum Esben Hansen an Odense BK, Neuzugänge ließen bis kurz vor Rückrundenstart auf sich warten. Trainer Kjetil Rekdal wollte unbedingt den norwegischen Topstürmer Steffen Iversen verpflichten, die geforderte Ablösesumme von vier Millionen Euro konnte der FCK allerdings nur bis zur Hälfte mitgehen. So wurden schließlich mit Benjamin Weigelt, Georges Mandjeck, Christopher Lamprecht und Victoras Iacob vier andere Neuzugänge verpflichtet, lediglich der bitter benötigte Spielmacher passte nicht in Rekdals Konzept. Eine von Fritz Fuchs angedachte Rückkehr Stefan Lexas in den Profikader wurde vom Trainer abgelehnt, stattdessen wurden Marcel Ziemer und Boubacar Diarra in die „Mannschaft der Ausgemusterten“ eingereiht. Diarra wechselte schließlich zum FC Luzern.

Wie bereits in der Sommerpause waren auch im Winter die Testspiele eher durchwachsen. Das Trainingslager auf Gran Canaria wurde zwar offiziell von allen Beteiligten für gut befunden, doch weder die Kondition noch die Spielkultur wurden hier nachhaltig gefördert.

So ging es zum Rückrundenauftakt nach Mönchengladbach, wo die Roten Teufel gegen den Tabellenführer als krasser Außenseiter ins Spiel gingen. Bereits nach wenigen Sekunden lag der FCK zurück, wie so oft zuvor nach einer Standardsituation. Nach den Platzverweisen für Beda und Simpson setzte niemand mehr einen Pfifferling auf die Lautrer, doch in der Nachspielzeit war es Björn Runström, der den frenetisch bejubelten Ausgleichstreffer erzielte. Sportdirektor Fritz Fuchs sprach von einer „Initialzündung“, doch er lag falsch. Im Heimspiel gegen 1860 München wurde erneut eine Führung aus der Hand gegeben, beim Spielstand von 1:1 ein Elfmeter verschossen und in der Schlussminute gar noch der entscheidene Gegentreffer kassiert. Es war das letzte Spiel des kurz vor der Invalidität stehenden Neuzugangs Victoras Iacob - und von Kjetil Rekdal als Trainer des FCK. Nach zwei Rückrundenspielen und fünf Punkten Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz musste der Norweger gehen, die gemeinsam mit Sportdirektor Schjönberg verursachte Fehlerkette war viel zu lang.

Rekdals Nachfolger wurde Milan Sasic, der mit Koblenz zweimal aufgestiegen war und auch die Mammutaufgabe FCK optimistisch anging: „Ich bin vom Klassenerhalt überzeugt!“ Der gemeinsam mit Rekdal entlassene Co-Trainer Roger Lutz kehrte nach wenigen Tagen zurück, sein Kollege Wolfgang Funkel blieb beurlaubt.

Beim Sasic-Debüt bejubelten 1.500 mitgereiste FCK-Fans Axel Bellinghausens Treffer zum überraschenden 1:0-Sieg bei Aufstiegsanwärter Greuther Fürth. Doch bereits eine Woche später folgte im Montagsspiel gegen Koblenz der nächste herbe Rückschlag. Zum dritten Mal in Folge gaben die Roten Teufel auf dem Betzenberg eine Führung aus der Hand und verloren gegen den Ex-Club von Milan Sasic mit 2:3.

Nach dem 22. Spieltag stand für die ersten Fans dann bereits der Abstieg fest: Mit dem trostlosen 0:0 beim SC Paderborn hatte der FCK wieder fünf Punkte Rückstand auf den rettenden Platz 14. Woher sollte man Hoffnung nehmen, wenn die Mannschaft sogar beim Tabellenletzten so lust- und kraftlos auftritt? Symptomatisch war der Auftritt von Angreifer Björn Runström, der vor seiner Einwechslung sein Trikot vergessen hatte und damit nicht nur Trainer Sasic die Zornesröte ins Gesicht trieb.

Doch nicht alle Fans gaben so früh auf. Angeführt vom „Pfälzer Chaos“ unterschrieben über 100 FCK-Fanclubs einen offenen Brief an die Mannschaft, der eine einfache Botschaft trug: „Lautrer geben niemals auf - sie kämpfen!“ und „ Wir stehen hinter euch!“ Das folgende 0:0 gegen Angstgegner Freiburg wurde da bereits als Erfolg gewertet, immerhin zeigten die Spieler wieder den oftmals vermissten Biss. Richtig feierlich wurde es dann am 24. Spieltag. Beim SV Wehen-Wiesbaden gelang einem wie ausgewechselt auftrumpfenden 1. FC Kaiserslautern ein glanzvoller 2:0-Sieg, der von 4.000 mitgereisten Fans lautstark gefeiert wurde. Neben Marcel Ziemer, der in Wiesbaden den Treffer zum 2:0 erzielte, war auch Stefan Lexa längst wieder im Kader und entwickelte sich in der Rückrunde zum Leistungsträger. Zwei unter Kjetil Rekdal und Michael Schjönberg ausgemusterte Spieler entwickelten sich zu Hoffnungsträgern im Abstiegskampf.

Weitere Euphorie im Umfeld wurde durch einen Bericht der „Rheinpfalz“ geschürt, in dem Bochum-Manager Stefan Kuntz als neuer Vorstandsvorsitzender des FCK gehandelt wurde. Doch zunächst stand im Heimspiel gegen die Offenbacher Kickers die große Chance zum Anschluss im Abstiegskampf an. 31.473 Zuschauer sahen am Gründonnerstag jedoch nur ein 1:1 gegen die Hessen, das den lange ersehnten Befreiungsschlag zum wiederholten Male verschob. Die große Chance hieß nun VfL Osnabrück, mit dem der FCK im direkten Duell die Plätze tauschen wollte. Mit einem Auswärtssieg würde man nach zehn Spieltagen erstmals wieder ein Nichtabstiegsplatz erreichen.

Doch was wäre diese Saison ohne Turbulenzen im Umfeld: Nur einen Tag vor dem bis dahin wichtigsten Spiel des Jahres spielte Sportdirektor Fritz Fuchs die beleidigte Leberwurst und trat zurück, da er nicht über die Verhandlungen mit Stefan Kuntz informiert war. Mannschaftsintern flog außerdem Stürmer Erik Jendrisek aus dem Kader, er war bei der Taktikbesprechung eingeschlafen. Später lehnte der Slowake die zugehörige Geldstrafe ab und entschied sich für eine Versetzung zu den Amateuren.

Schlechte Voraussetzungen vor dem Abstiegsendspiel in Osnabrück, die allerdings nicht die folgende Leistungsverweigerung der Mannschaft erklären konnten. Sang- und klanglos wurde das Spiel mit 0:2 verloren, die Spieler stellten sich nicht einmal den treuen Fans, die montagabends am Mannschaftsbus warteten. Der FCK war am Boden! Trainer Sasic gab zwar aus, „das Unmögliche noch schaffen“ zu wollen, wirkliche Hoffnung hatten aufgrund der schwachen Leistungen jedoch nur noch die größten Optimisten. Nach der 0:2-Heimniederlage gegen die TSG Hoffenheim explodierte der Betzenberg schließlich, lautstarke „Vorstand raus“-Rufe hallten durch die Westkurve und nur die Hoffnung auf die Verpflichtung von Stefan Kuntz ließ nicht die letzten Hemmungen fallen. Milan Sasic schickte seine Spieler zum minutenlangen Rapport vor die Westkurve. Eine Szene, die unvergessen bleiben wird.

Noch am selben Wochenende wurde schließlich der Vertrag mit Stefan Kuntz abgeschlossen, gemeinsam mit Dr. Johannes Ohlinger sollte das FCK-Idol ab sofort die Geschicke des Vereins lenken. Neue Hoffnung umgab den Betzenberg, doch über allem stand das kaum noch vermeidbare Schreckgespenst „dritte Liga“. Erik Jendrisek kehrte nach einer Entschuldigung wieder in den Kader zurück und die Fans besuchten mit einer eindeutigen Botschaft das Abschlusstraining vor dem Auswärtsspiel in Aue: „Noch 7 Spiele - Kotzt Blut!“

Doch auch in Aue zeigte sich der FCK herz- und kopflos, nach dem 0:0 und den Siegen der Konkurrenz betrug der Abstand auf Platz 14 nun acht Punkte - ein Rückstand, den noch nie eine Mannschaft aufholen konnte. Doch war es Sasic' Rapport-Befehl nach dem Hoffenheim-Spiel, die Anwesenheit von Stefan Kuntz, der Trainingsbesuch der Fans oder von allem etwas? Ab diesem Zeitpunkt spielte die Mannschaft wie ausgewechselt! Der Heimsieg gegen den FC Augsburg vor nur noch 20.000 Zuschauern an einem Dienstagnachmittag wurde zwar mit großem Jubel, jedoch auch mit dem nötigen Realitätssinn entgegen genommen. Immerhin konnte der Rückstand auf fünf Punkte verkürzt werden, und insgeheim rechneten doch wieder alle. Immerhin folgte aufgrund des DFB-Pokalfinals eine zehntägige Pause, in der die Fans zwischen Hoffnung und Realität schwankten.

Einen Tag vor dem Heimspiel gegen die jenseits von Gut und Böse stehende Alemannia aus Aachen platzte dann eine Bombe: Der TuS Koblenz wurden in erster Instanz acht Punkte wegen Ungereimtheiten im Lizensierungsverfahren abgezogen, der FCK hatte plötzlich - zumindest vorübergehend - nur noch drei Punkte Rückstand. Doch es kam noch besser, vor erneut über 30.000 Zuschauern zogen die Roten Teufel durch einen Heimsieg gegen Aachen mit den Koblenzern gleich, die sensationell bei Schlusslicht Paderborn verloren. Selbst die frühe Führung der Aachener brachte die Lautrer nicht zu Fall, mit der fantastischen Unterstützung der Fans sorgten der zwischenzeitlich zum Kapitän ernannte Axel Bellinghausen und Marcel Ziemer für den Heimsieg. „Mit Lautrer Herzblut ist alles möglich“, ließ die Mannschaft nach dem Spiel per Spruchband verlauten.

Der FCK war zwei Wochen nach dem gefühlten Abstieg von Aue wieder mittendrin! Punktgleich mit Koblenz, nur noch zwei Zähler Rückstand auf Offenbach und Osnabrück. Diese neue Hoffnung und der nun wieder unbändige Zusammenhalt zwischen Fans, Mannschaft und Verein konnten auch nicht von der unglücklichen Derby-Niederlage in Mainz getrübt werden, wo Soto in der letzten Minute den unverdienten Siegtreffer für die Hausherren erzielte. Es blieb auch nicht viel Zeit zum Nachdenken, denn gleich stand eine englische Woche mit dem Heimspiel gegen den von der eigenen Nichtabstiegsparty gezeichneten FC St. Pauli an. So hatte der FCK leichtes Spiel und im Gegensatz zu früheren Tagen schlugen sich die Roten Teufel auch nicht selbst, sondern die Hamburger hochverdient mit 2:0. Nur noch ein Punkt Rückstand! Die neue Hoffnung wurde nur durch den Offenbacher Überraschungssieg in Freiburg sowie durch die Reduzierung der Koblenzer Strafe auf sechs Minuspunkte leicht getrübt. Doch der FCK hatte den Klassenerhalt nun wieder in der eigenen Hand und die Leistungen der letzten Spiele brachten große Zuversicht.

Zum Spiel beim bereits abgestiegenen FC Carl Zeiss Jena versorgten sich die Lautrer Fans über die verschiedensten Wege mit Tickets. Über 3.000 Schlachtenbummler, viele davon in den eigens für dieses Spiel produzierten „Traditionsvereins“-Shirts, sahen ein kampfbetontes Match, in dem der FCK nach zweimaligen Rückstand ein 2:2 erreichte. Mit einem Auswärtssieg wäre der vorzeitige Klassenerhalt erreicht gewesen, so folgten noch sieben Tage zwischen Hoffen und Bangen vor dem endgültigen Abstiegsfinale gegen den 1. FC Köln.

In jener Woche gab es nur noch ein Thema. Stefan Kuntz diskutierte dienstags mit rund 150 Fanclub-Vertretern, mittwochs wurde das Spiel gegen den bereits als Aufsteiger feststehenden FC restlos ausverkauft gemeldet, selbst die überregionalen Zeitungen berichteten vielfach über das Hoffen und Bangen in der Pfalz.

Es folgte der 34. Spieltag der Saison 2007/08. Ein Tag, der in die Geschichtsbücher des 1. FC Kaiserslautern eingehen wird. Vor 48.500 lautstarken Zuschauern wurde der 1. FC Köln mit 3:0 nachhause geschickt, Fans und Mannschaft pushten sich 90 Minuten lang zur Höchstleistung. Nach dem Führungstreffer durch Josh Simpson begann es zu regnen, Fritz Walter persönlich schien vom Himmel aus „sein Wetter“ in das nach ihm benannte Stadion zu schicken. Ausgerechnet die unter Rekdal/Schjönberg ausgemusterten Stefan Lexa (Vorbereiter) und Marcel Ziemer (Torschütze) schafften mit dem 2:0 endgültige Klarheit in Sachen Klassenerhalt. Die schlechteste Saison der Vereinsgeschichte wurde in letzter Sekunde gerettet, Fans und Mannschaft feierten den Klassenerhalt bis spät in die Nacht.

Mit diesem Sieg endete eine Saison, die nicht nur auf dem Spielfeld turbulent war. In den letzten Spielen hatte der FCK zwar auch Glück, gegen Gegner anzutreten, die ihr Saisonziel bereits erreicht bzw. verfehlt hatten. Doch über die lange Saison betrachtet, war auch viel Pech mit dabei, speziell bei den Heimspielen. Mit Stefan Kuntz kehrte das „Lautrer Herzblut“ auf den Betzenberg zurück, das vielen Fans auch für die kommende Saison die Hoffnung gibt, die in den letzten Jahren oft gefehlt hat. Der FCK ist wieder da!

Am Donnerstag im dritten und letzten Teil des Saisonrückblicks auf „Der Betze brennt“: 1. FC Chaos Lautern - die jahrelangen Unruhen im Umfeld des FCK erreichten neue Höhepunkte. Und mit der Verpflichtung von Stefan Kuntz hoffentlich auch ihr Ende...

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas

Kommentare 33 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken